Abwesenheit

[126] Auf, auf, fleug bald mein junges herz

zu deren, die dich allein nähret;

sag ihr, wie übergroßer schmerz

von ihretwegen mich bethöret.


Sag ihr, wie mein geist tag und nacht

nichts dan klagwort von ihr erdichtet,

und wie der lieb zu große macht

in mir schier die vernunft vernichtet.


Sag ihr, wie die abwesenheit

mein angesicht untröstlich netzet,

und wie ihr süße freindlichkeit

mich, leider! tödlich jetz verletzet.


Doch sag auch, daß, wan in der pein

not, trübsal, elend, angst und klagen

sie meiner ingedenk wird sein,

ich selig, solches zu ertragen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 126.
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