An H. Oliver Fleming, Rittern, Kön. Mayt. Gesandten etc.

[195] Wider willen und gewissen,

eben so torecht als alt,

ich mich noch zu hof aushalt,

andern dienend so geflissen,

daß mir nicht ein stündlein frei,

got und mir selbs recht zu leben,

da doch mir für meine treu,

müh und sorg kaum dank gegeben:

und zwar billich; dan wer gern

seinen tag bei hof wil enden,

der hat weder heil noch stern

seinen lauf wol zu vollenden.


Ich sih ja, noch nicht verblindet,

daß die tugend gar umsunst,

daß allein die bosheit gunst,

lieb und vortheil bei hof findet.

dise marbrine palläst,

underproppet mit albaster,

halten in sich manches nest

für verruchte lust und laster:

under seiden, silber, gold,

damit sich der hof bedecket,

als in seiner lastern sold,

nichts dan übels sich verstecket.


Lang zu hof muß der nicht bleiben,

welcher redlich bleiben will:[195]

welcher, eingezogen, still,

nicht will narrenbossen treiben;

welcher nicht sein haupt und knüe

kan für jedem Haman biegen,

welcher nicht kan spat und frü

gleißnen, liegen und betriegen:

kürzlich: welcher gut und from

will das übel übel nennen

und nicht will, blind, taub und stum,

alles bös für gut erkennen.


Darf ich andern wol anzeigen

des hofmans religion,

und für welcher gotheit thron

sich die höflingherzen neigen?

reichtum, ehrgeiz und wollust,

deren erste drei buchstaben

merklich, seind in ihrer brust

als gotheiten tief gegraben:

alles lebens seligkeit,

glauben sie, sei hier auf erden,

die in des hofs herrlichkeit

wohnend, muß gefunden werden.


Warlich bei hof seind sehr wenig,

die in bösem überfluß

und in kützelndem verdruß

über ihre lüste könig:

und die fürsten mehrer theils,

folgend ihrem schnöden willen,

der ein werkzeug des unheils

ihren lust mit lastern füllen:

und dan der hofleuten wohn,

affen gleich, ist mit cramanzen

nach so hipscher herren ton

stets zu singen und zu danzen.


Daher täglich mehr bethöret

narren, ohn verstand, witz, ruh,[196]

danzen sie dem teufel zu,

wan ihr danz nicht wird verstöret:

ja sie danzen so lang fort,

bis sie in die grub gestürzet,

wa nicht ihren danz ein wort,

sie abrufend, schnell verkürzet;

wa sie nicht schuld, schmach, spot, schand

oder krankheit davon reißet,

oder der ungnaden hand

wegen eines strohs zerschmeißet.


Doch wan einer, hoch ankommen,

über andre herschen kan,

so will er stracks sein der hahn,

wan schon andre um ihn brummen:

wird ihm schon der ganz hof feind,

will er doch den hof ganz zwingen;

basen, vetter, esel, freind,

dieb und kuppler hoch anbringen:

bis daß des hofs unbestand

ihm erwecket einen dunder,

der durch des volks schwere hand

stürzet endlich ihn herunder.


Stürzet! ja, eh er gedenket,

wird er schnell mit höchstem spot

weggeraufet zu dem tod

oder Haman gleich gehenket:

da ihn dan des pöfels rach,

welches sterbend ihn verfluchet,

lehret spat mit schimpf und schmach,

was er torecht lang gesuchet.

dan gewißlich, wer zu hoch

steiget, der muß endlich fallen,

daher dan kan das hofjoch

keinem weisen lang gefallen.


Der mag spilen, singen, lachen

mit des schönen tags anfang,[197]

den der sonnen nidergang

kürzlich kan verzweiflen machen:

und daher ist jener weis,

der stets bleibet auf der erden

und der, haltend maß und weis,

weder groß noch reich will werden.

wie vil doch zu unsrer zeit

sah ich trotzige Sejanen,

deren werk uns nah und weit

billich von dem hof abmahnen.


Flemming, du bist so erfahren,

so verständig, weis und klug,

daß ich mehr mit gutem fug

dir zu sagen, wol mag sparen:

alle höf, ja alle welt

hast du fleißig durchgezogen,

und würd der Ithakisch held

leichtlicher, dan du, betrogen.

was vil nationen dich

hören ihre sprachen reden,

will bald ihrer jede sich,

daß du ihr landkind, bereden.


Daher hast du auch befunden,

daß dir deine höflichkeit,

sprachen und erfahrenheit

deinen könig selbs verbunden,

welcher dich dan hin und her

als gesandten ausgeschicket,

doch zu seiner schlechten ehr

mehr entglücket, dan beglücket;

zwar mag er zu seiner zeit

alles wider zurecht bringen;

auch kan mit der tugend beut,

welche dein, dir nicht mislingen.
[198]

Der, wie du weis, kan ihm schmiden

allenthalb sein eigen glück;

keines fürsten saurer blick

hindert seines herzens friden:

ja dein redliches gesicht,

welches deinen mut bezeuget,

daß von dir wahr mein bericht

keinem weisen man verschweiget;

und weil du der tugend hold,

männiglich dich billich liebet;

dan die lieb ist dessen sold,

der stets wol zu thun sich übet.


Was ich schreib von dem hofleben,

ist dir mehr, dan mir, bewust:

du weißt, ob es mehr unlust

oder wollust uns kan geben:

jedoch welcher weis, wie du,

kan aus bösem gutes ziehen

und, o wunder! der unruh,

ruhig innerlich, entfliehen;

aber durch der lastern heer

wie vil sehen wir hinsterben!

und in des hofs wildem meer

wie vil sehen wir verderben!


Zwar ist dem meer, wan es tobet

oder ruhet, der hof gleich,

darauf fahret arm und reich,

der uns schändet, der uns lobet;

wie das meer ganz ungestüm,

daß die schif oft untergehen:

also kan zu hof der grim

eines fürsten ärger wehen;

auf dem meer man seine fahrt

nach der sternen lauf regieret,

zu hof der Sirenen art

auf die felsen uns verführet.
[199]

Doch der felsen, der Sirenen

und der wellen pracht und macht,

auch der nebeln dicke nacht

(die gemeinglich allen denen,

welche nicht fürsichtig seind,

den weg weisen zu dem leiden)

weil sie dein und du ihr feind,

kanst du, Tiphis gleich, vermeiden;

dan du weißt, wie sich sehr schnell

glück und lieb zu hof verkehret,

daß der tag, schön, heiter, hell,

kaum ohn sturm bis abend wehret.


Dises lied nun zu beschließen

von des hofs füßbittern speis,

so laß, ich bit, dise weis

dich, herr Flemming, nicht verdrießen.

daß mit deines namens ehr

meinen namen zu beschönen

ich (hofvogel) auch begehr,

federn von dir zu entlehnen;

weil wir beed von got die gnad,

daß der hof uns nicht umtreibet.

selig, der bei dem hofrad

aufrecht und beständig bleibet!

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 195-200.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon