Anakreontisch

[71] Frölich zu leben.


Wan ich mit guter geselschaft

frisch zechend an dem tisch gesessen,

macht mich der süße rebensaft

des leids und unmuts bald vergessen!

ich will stets springen an den danz,

gekrönet mit dem ebheukranz.


Mein hirn, erhitzet durch ein glas,

vermeinet mehr reichtum zu haben,

dan Midas und Crösus besaß;

ja großer fürsten gunst und gaben,[71]

dienst ämpter, glück und herrlichkeit

trit ich zu grund, als eitelkeit.


Wolan, bring her ein volle flasch,

die sorg aus meinem kopf zu jagen,

und daß ich lung und leber wasch;

was hilft es, sich selbs vil zu plagen?

ist es nicht daß, zu bet voll wein,

dan auf der erden tod zu sein.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 71-72.
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