Meine meinung, wie ein weib zu wählen

[138] Mich zu entfreien und ein weib,

ja vil mehr meinen leib, zu freien,

daß ihr leib mein, mein leib ihr bleib,

daß es mich nicht mög widerreuen,

glaub ich, daß ich vertrauen nicht

solt meines freinds mund noch gesicht:

»zu buhlen und sich selbs zu preisen,

kan ein man selbs das best erweisen.«


In meiner wahl nun kühn und frei

wolt ich anfänglich gleich begehren,

daß solcher eltern kind sie sei,

die an zucht, freiheit, fromkeit, ehren

noch älter, dan ein alt geschlecht;

dan eine schönheit, die nicht schlecht

mit einem schlecht und rechten leben

kan das blut selten allein geben.


Zwar weiß ich wol, daß gute zweig

von alten bäumen noch aufschießen,

zu deren lob ich nicht verschweig,

daß ihres stammens sie genießen,

und darum wert, daß man sie ehr;

doch ich vermein auch, daß je mehr

ein berg sich in die höhin strecket,

je bälder er mit schnee bedecket.


Forchtlos nu für der reu zu sein,

die uns zu spat doch bald erschleichet,

soll meine wahl nicht auf den schein,

sondern recht nützlich sein bereichet.

»wer seine freiheit gibt dahin

um stands und um gesichts gewin,

der kaufet ein pferd zu prachtieren,

darauf er schimpflich mag verlieren.«
[139]

Jedoch wolt ich sie an statur

und leibs schönheit vollkommen haben

und daß sie, ganz schön von natur,

solt aller augen stracks erlaben:

gleich wie die sonn solt sie schön sein,

daß sie mit unbeflecktem schein,

von allen augen zwar gesehen,

mög doch nur bei mir nidergehen.


So darf sie auch nicht sein gelehrt,

vil sprachen darf sie nicht studieren,

des weibs verstand ist schon gnug wert,

der gnug ist, ihr haus gnug zu zieren.

die ein gespräch nur für mich hab,

beweisend sie ein gottesgab,

die mehr nicht, dan mein thun und lassen

thu (als mein spiegel) in sich fassen.


Ich wolt gar nicht, daß sie mit glimpf

solt jemand wollen vil vexieren,

vil weniger mit spot und schimpf

verlachen, zanken und stumpfieren;

verachten soll sie böse blick

und schandlicher geberden stück

und böse buhler förchten machen

ihr für zu bringen böse sachen.


Daß sie niemals ab dem werd rot

was sie begangen und versaumet;

daß sie sei keusch, ohn schand und spot,

daß ihr nichts böses je getraumet;

»dan die jungfrau, in deren brust

sich einmal nistet böse lust,

die hat, eh sie thut böse thaten,

die vestung ihrer zucht verrathen.«


Stets soll sie mit forcht, scham und ehr,

wan ich sie herze, der lieb pflegen:[140]

doch wolt ich, daß sie fruchtbar wär,

mehr namens, dan nur wollusts wegen.

»dan die, so in dem werk schamhaft,

hat stets ein neue jungfrauschaft,

und die zucht kan die treu erhalten

und läßt den heurat nicht veralten.«


Sie soll, wan sie mir gibt die hand

verlobend sich, in ihr herz graben,

wie durch des ehstands starkes band

got aus uns beeden eins wöl haben,

und bitten got von herzengrund,

daß wir zugleich in guter stund

(als Aarons steck) beed hie auf erden

frisch grünen, fruchtbar und dürr werden.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 138-141.
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