Sie ist ganz lieblich und löblich

[292] Das gold des Morenlands, wie pur es auch kan sein,

muß ihres krausen haars köstlichem schimmer weichen:

der roteste koral, des schönsten rubins schein

ist ihres rosenmunds reichtum nicht zu vergleichen;

Und keine perlein seind so weiß, so gleich, so rein

als die, die ihres munds red und geschmöll bereichen:

so kan auch die natur und kunst kein helfenbein

das so zart, glat und weiß wie ihr leib, herausstreichen.

Kurz, meine Nymf, Myrt, ist ein kunststuck der natur,

der herzen brunst und wunsch, die herscherin der seelen,

der holdseligkeit quell, der lieblichkeit figur,

Der augen süße weid, die todte zu beseelen,

der schönheit ganze sum, der tugenden richtschnur,

wie kan ich immer dan, sie liebend, lobend, fehlen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 292-293.
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