Meine meinung über Martials Vitam quae faciunt beatiorem

[318] An meinen sohn Rodolf Weckherlin.


Des Martials sinnreicher wohn,

glückselig in der welt zu leben,[318]

mag villeicht dir, mein lieber sohn,

kan doch nicht mir ein gnügen geben.


Dan ob schon wenig, weil gering

der mensch selbs, niemand solt verdrießen:

so schätz ich doch, daß dise ding

des lebens wermut vil versüßen:


Fruchtreiche arbeit, müh und fleiß,

ein wol verdienend frommer wandel,

nicht köstlich, doch gut drank und speis,

errungner reichtum ohn rechtshandel.


Gesund und freier geist und leib

behaus- und kleidung rein und düchtig,

ein freindlich, keusch und kluges weib,

ein ehbet frölich und doch züchtig.


Trostreicher schlaf, sorglose nacht,

lieb allen, niemand leid zufügen,

ein herz und mund ohn klag und pracht,

mit seinem stand sich wol vernügen.


Gedanken, freind und bücher, gut,

was recht stets lernen oder lehren,

der stirn und zungen gleicher mut,

den tod nicht förchten, noch begehren.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 318-319.
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