Vorrede zu den psalmen

[325] Nachdem die lieb, mit starker wut

erheizigend mein junges blut,

mich mit verwöhnten pein und plagen

hat machen seufzen, weinen, klagen:

Ach! so befind ich, daß ich muß,

weil meine thorheit nu mit buß

sich endet, daß, was ich begangen

recht zu beklagen, erst anfangen.


Zwar meiner ersten klag ursach

war eine schönheit zart und schwach,

auch wunderreich und hoch bedenklich,

doch auch, wie alles fleisch, zergänglich:

Hingegen meiner zweiten klag

und lieb quell ist der glanz, der tag,

das liecht, das leben aller seelen,

daß niemand, dem nichts zu verhehlen.


O meiner seelen sonn, o schein,

o der du, unbeflecklich rein,

kanst das herz wie das aug regieren,

mit wahrer lehr und reichtum zieren!

Durch deiner schönheit und klarheit

allmacht und ewige wahrheit

vertreib von meiner seel und augen,

was sie kan zu betriegen taugen.


Hab dein geschöpf, zwar deiner hand

allreichen allmacht wunderpfand,

ich mensch verblindet und betrogen,

dir, got und schöpfer, fürgezogen:

So bit ich nu mit wahrer reu,

durch deine gnad von blindheit frei,

mir meine thorheit zu verzeihen

und wahre weisheit zu verleihen.
[326]

Ach herr! durch deiner lieb inbrunst

vertreib der vorigen lieb dunst,

und mit dir mein herz zu beschönen,

gib daß mit neuer hitz und thränen

Ich reinige mein alte brust,

auf daß du mögest selbs mit lust

in ihr, mich allzeit zu regieren,

hinfür gefälliglich losieren.


Herr, leite mich mit deiner hand,

erleuchte mich durch deinen brand,

daß mich hinfür nichts mög verirren

[und ab von deinen wegen führen],

Daß ich allzeit mit deiner huld

all meine werk, mit keiner schuld

dich, allein mein lieb, zu verdrießen,

mög wol anfangen, wol beschließen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 325-327.
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