Vierter Auftritt


[195] Schwigerling. Tatjana. Mitja.


SCHWIGERLING von links hinten, schwarzes Barett und Talar, beides mit magischen Charakteren bedeckt, in der Rechten einen Elfenbeinstab, in der Linken einen gefüllten silbernen[195] Pokal, Tatjana am Arm führend. Hinter ihm Mitja, das Gewehr im Arm. Zu Mitja in feierlichem Grabeston. Ich lasse Seine Durchlaucht im Namen seiner infernalischen Majestät des leibhaftigen Gottseibeiuns bitten, sich herbemühen zu wollen. Zu Tatjana. Wenn ich dir, mein getreuer Famulus, für deine aufopfernde Hilfeleistung mit einer Wünschelrute oder mit einem verwandelten Prinzen dienen kann ...

TATJANA. Ach Gott, es war mir doch eine solche Freude!

SCHWIGERLING. Kein Zauberkobold, kein Glücksmännchen gefällig?

TATJANA. Ach Väterchen, wenn Sie mir nur ...

SCHWIGERLING. Ohne Scheu! Für unsereinen existieren keine Unmöglichkeiten.

TATJANA. Wenn mir Väterchen bei dem Zauberkobold auch wieder erlauben wollten, bei der Zubereitung behilflich zu sein.

SCHWIGERLING. Die Retorten bedienen? Sie küssend. Versteht sich, mein getreuer Famulus. – Zu Mitja. Ich lasse Seine Durchlaucht im Namen der ganzen Hölle ersuchen ... Da sich Mitja nicht rührt. Ach so, ich vergesse ganz ...

TATJANA. Ich werde Seine Durchlaucht davon benachrichtigen.

SCHWIGERLING sie mit dem Stabe berührend. Mein Traumgenius belohne deinen nächtlichen Schlummer dafür.


Tatjana nach rechts hinten ab.


SCHWIGERLING. Volle zwölf Stunden habe ich darüber nachgedacht. Einen Liebestrank oder mein Leben. Wer in der Welt zaubert da schließlich nicht. Ich ersinne das Menschen-Unmöglichste, um meinen Zauber zu hintertreiben. Man sagt mir, unter allen Bestien im Hause stehe der Hühnerhund seinem Herzen am nächsten. Er opfert den Hühnerhund und fordert den Trank. Ich verlange die Leber eines Raubvogels, in fünf Minuten ist ein Lämmergeier zur Stelle. Wenn jetzt nicht zur rechten Zeit noch die russische Revolution ausbricht, dann werde ich mein schönes Leben wohl an diesem dunkelsten Ende der Welt ruhmlos beschließen müssen.


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Berlin und Weimar 1969, S. 195-196.
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