Idyll

[410] Zum Kellner sprach die Kellnerin:

Mir wird so sonderbar zu Sinn,

Ich finde mich ganz verändert.

Wie bin ich Ärmste doch bisher

Empfindungsbar, gedankenleer

Durchs Gastlokal geschlendert!


Nun möcht ich jauchzen und möchte schrein,

Möcht leise wimmern und selig sein

Und sehne mich fort ins Weite;

Ich sehne mich tief in die Einsamkeit,

Und trotzdem wird mir so weich, so weit

So wohlig an deiner Seite.


O Kellnerknabe, sag an, sag an,

Was hast du Böser mir angetan;

Mein Friede liegt in Scherben.

Mir ahnt ein Glück, ich ermeß es nicht,

Ich fluche sein, ich vergeß es nicht,

Ich möchte am liebsten sterben.[410]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 410-411.
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Die vier Jahreszeiten
Die vier Jahreszeiten: Gedichte (insel taschenbuch)