Einkehr

[440] Du stille Friedhofmauer,

Scheu tret ich bei dir ein.

Willst du nicht meiner Trauer

Schirmende Heimat sein?


In deinem tiefen Frieden,

In deinem kühlen Schoß

Wird allen Ruh beschieden,

Die krank und ruhelos.


Wo dunkle Stämme ragen

Um dichtumkränzten Stein,

Fernen vergangnen Tagen

Geb ich ein Stelldichein.


Süßselige heilige Schauer

Lösen mir Aug und Sinn –

Du stille Friedhofmauer,

Du meine Beschützerin,


Entflohn dem Weltgetriebe

Tret gern ich bei dir ein;

Willst du begrabener Liebe

Schirmende Heimat sein?[440]

Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 440-441.
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