Aufschrei

[522] Was ich getan, das läßt sich nicht bessern,

Es läßt das Gewissen sich nicht verwässern.

Ich stehe schuldlos vor meinem Verstand

Und fühle des Schicksals zermalmende Hand.


Der Mut versiegt, es wachsen die Schmerzen,

Und öd und trostlos wird es im Herzen.

Ich bin verstoßen, ich bin verdammt,

Ringsher von Rachegluten umflammt.


Wenn jetzt mich Irrsinn lindernd umfinge,

Wenn ich verkappt in den Himmel ginge!

Verschlossen ward mir die Seligkeit,

Ich schliche mich ein im Schellenkleid.


Was ich begangen, läßt sich nicht sühnen.

Man schätzt den Klugen, man preist den Kühnen,

Allein das Herz, das Herz in der Brust

Ist sich unendlicher Schuld bewußt.[522]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 522-523.
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