Zweyter Auftritt

[11] August. Gehrmann führt Emerike, Kunigunde folgt. Beyde sind wohlhabend bürgerlich nett, aber alterthümlich gekleidet. Kunigundens Tracht ist jedoch mehr zurück.


GEHRMANN unter der Thüre. Nur hier herein, liebes Kind!

EMERIKE. Ja – aber meine Sachen –

GEHRMANN. Ohne Sorgen, meine Leute packen ab.

EMERIKE. Aber die Eyer! die Hühner! Kundel, sieh doch nach. –

KUNIGUNDE. Muß erst meine Anrede halten.

EMERIKE. Das hat ja Zeit.[11]

KUNIGUNDE. Kind, wir sind nicht im Wirthshause; hier muß man Manier zeigen.

EMERIKE. Aber du kannst ja –

KUNIGUNDE. Das verstehen Sie nicht. Stellt sich vor Herrn Gehrmann, und macht einen Knix. Heiße Kunigunde Stillfried, diene seit dreyßig Jahren bey Frau Rosalia Meyer, ehrbaren Witwe des Handelsherrn und Rath - Beysitzers Meyer zu Breitenfeld; und weil denn doch im Dienen und Dienen ein Unterschied zu verspüren ist, so hat mich Frau Rosalia Meyer nie als eine Magd, sondern als eine treue Hausgenossin betrachtet, die an Leiden und Freuden ihren gehörigen Antheil nimmt –

EMERIKE. Aber Kundel –

KUNIGUNDE nur den Kopf zu ihr wendend. Bringen Sie mich nicht heraus. Zu Gehrmann. – ihren gehörigen Antheil nimmt. Und weil ich denn eine Person bin, die, wie Euer Gestreng bemerken werden, nicht auf den Kopf gefallen ist, ihre Worte zu setzen versteht, bey Tag und Nacht mit ihrem guten Rathe bey der Hand ist, und der man nebst der todten Wirthschaft, auch wohl die Obsorge über das Lebendige anvertrauen kann –

GEHRMANN einfallend. So hat Frau Rosalia Meyer ihr das Liebste, ihre Nichte, anvertraut![12]

KUNIGUNDE. Um sie dem Herrn Joseph Gehrmann, wohlbekannten Handelsherrn allhier, und seit dem Erbleichen ihres Herrn Vaters, wohlbestellten Vormund der Jungfrau Emerike Würzig zur zeitlichen Versorgung zu überliefern. Führt ihm Emeriken zu.

GEHRMANN voll Freude. Wird versorgt! wird versorgt! Stößt August an, und sagt leise. So schreie mit, dummer Junge, schreie mit. –

KUNIGUNDE. Auch soll ich noch hinzufügen, daß sich Frau Rosalia Meyer noch gerne der Zeiten erinnere –

GEHRMANN lachend. Wo wir einst mit einander Gevatter standen? Das mögen so ein vierzig Jährchen seyn.

KUNIGUNDE. Das Kind ist vorigen Winter gestorben.

GEHRMANN lacht. Das Kind kann die ersten Schuhe ausgetreten, und schon einige Paar Stiefeln verbraucht haben.

KUNIGUNDE. Da nun durch diesen Todfall die Verwandtschaft gelöst worden, so freut sich Frau Rosalia Meyer –

GEHRMANN. Durch die Verbindung ihrer Nichte mit meinem Neffen eine noch engere Verwandtschaft zu knüpfen? Wir freuen uns mit. Stößt August. Wir freuen uns mit.

KUNIGUNDE. Ich übergebe also das Küchelchen, über das ich 18[13] Jahre meine Flügel ausgebreitet habe, daß ihm kein Unheil widerfahre. Eure Gestreng mögen es glauben, braune Haare, schwarze Augen und rothe Backen zu hüthen, da darf man die Brille recht auf der Nase haben. Ich habe Tag und Nacht gewacht, Betrachtet Emerike mit Wohlgefallen. und so ist sie denn unter Gebeth und Arbeit herangewachsen, daß Jeder, der sie betrachtet, seine Freude an ihr hat.

GEHRMANN für sich. Nur der dumme Junge nicht.

KUNIGUNDE. Nun! was das Aeußere betrifft, das hat Gott gegeben, was in dem Menschen ist, daß er gut, fromm, kein unnützer Kostgänger auf Erden sey – das hat sie von mir.

GEHRMANN. Brav, liebe Frau Kunigunde, brav!

KUNIGUNDE mit gesenktem Blick. Jungfer, wenn es Euer Gestreng nicht ungut nehmen.

GEHRMANN. O keineswegs.

KUNIGUNDE selbstgefällig. Wurde nicht verschmäht!

GEHRMANN sehr heiter. Glaub's, könnten ja noch –

KUNIGUNDE. Wäre doch nicht mehr zu rathen.

EMERIKE. Aber Kundel –[14]

KUNIGUNDE. Der Mensch muß auf seinen rechten Titel halten.

EMERIKE. Alle Hühner gehen uns darauf.

KUNIGUNDE. Die Menschen gehen dem Federvieh vor. Zu Gehrmann. Ja, Euer Gestreng; man hat zu seiner Zeit auch braune Haare und schwarze Augen gehabt, aber man hat nicht damit herum vagirt, hat sie züchtig zur Erde geschlagen. Nun bin ich freylich darüber in die Jahre getreten, aber was man mit Ehren ist, das ist die Frage. – Jetzt wissen sie hier, woran sie mit dem Menschen sind, jetzt will ich die Hühner versorgen.


Ab durch die Mitte.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 11-15.
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