Siebenter Auftritt

[23] Viele Offiziere, und reiche Pflanzer treten ein.


DESSALINES.

Füllt nur den Saal, gern bin ich im Gedränge

von meinen Freunden, und das seid ihr mir.

EINIGE.

Mit Hand und Mund!

OFFIZIERE.

Wir hängen treu an Dir!

DESSALINES.

Wie ich an Euch ihr muth'gen Waffenbrüder.


Zu den Pflanzern.


Ihr fleiß'gen Zecher, kommt herbey, herbey!

Glaubt ihr, wir stürzen nur den vollen Becher

so um des Rausches willen in die Kehle?

Der Freiheit gilt es. – Heute jubeln wir,

daß unsre weißen Unterdrücker fallen.


Stößt die Fenster auf.


Da seht hinab – gefesselt stehen sie da.[23]

Ein Wink von mir, ihr seht nur ihre Leichen.

Die Sonne scheint, die düstern Nebel weichen,

auf Haiti muß die Freiheitsfahne wehn,

ein freies Volk muß in der Schöpfung stehn.

PFLANZER.

Ja – frei sind wir!

OFFIZIERE.

Und nur durch ihn!

DESSALINES stolz.

Durch mich.

OFFIZIERE.

Das Große kann nur Dessalines vollbringen.

DESSALINES.

Ja – ihr habt Recht, nur mir konnt' es gelingen.

Auf! jubelt laut, daß es die Weißen hören


Alles ruft.


Es lebe Dessalines der uns befrei't!


Wilder Jubel von blasenden Instrumenten. Wenn alles still ist, geht Dessalines an das Fenster und giebt mit einem rothen Tuch ein Zeichen. Ein Kanonenschuß fällt.


JULIA stürzt zu seinen Füßen.

O halte, halte ein –

DESSALINES wild .

Was willst Du Weib?

JULIA.

O sey barmherzig, sey ein Mensch, und schone.

DESSALINES spottend.

Nur ruhig Julia, noch leben sie,

glaubst Du, ich kürze so die Todesqual,[24]

daß auf das erste Zeichen sie erblassen?

Das dritte erst bringt Tod. –

JULIA.

O halte ein –

Nur einen gieb mir frei, nur St. Janvier

DESSALINES.

Ha Du erinnerst mich, daß ich versprochen

den tapfern Diakue an ihm zu rächen.

Doch, weil Du bittest, kürz' ich seine Qual.


Giebt das Zeichen, man hört den zweiten Schuß.


JULIA verzweifelnd.

O Dessalines gieb mir den Einz'gen frei!

DESSALINES.

Steh auf verhaßtes Weib –

JULIA.

Den Einz'gen nur

um den die Gattin und die Kinder jammern.

Du schlachtest tausend – einen gieb mir frei.

Wenn Du mich je geliebt, erhöre mich!

Erbarmen, Dessalines, o hab' Erbarmen!

DESSALINES in der größten Wuth schleudert sie von sich.

Mir aus den Augen, fort, sonst zeige ich,

daß meine Hand auch Schwarze tödten kann.


Er giebt das dritte Zeichen, man hört den dritten Schuß. Julia ist seitwärts betend auf die Knie gesunken. Man hört wildes Geräusch, und Schüsse.


Musik, Musik! – Das ist ein Freudentag!

Jetzt an die Tafel, leert den vollen Becher.[25]

Ha! – mordet, würgt, vertilget ihre Spur,

Dies Land gehört den Söhnen der Natur!


Durch die Mitte ab.

Alle ihm nach.


Es lebe Dessalines der uns befreit.


Ende des ersten Akts.
[26]

Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 23-27.
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