Neunter Auftritt

[46] Ein Neger – Offizier mit Wache, die Vorigen.


OFFIZIER noch innerhalb.

He da, Ihr weißen Hunde – meldet Euch,

kriecht nur hervor, wir müssen Euch doch finden.


Tritt ein.


Wo sind sie? sprecht, wo habt Ihr sie versteckt?

ANNA.

O Fluch der Hand, die einen Weißen rettet.

Längst wünscht ich diesen Tag – er ist gekommen,

vernichtet sind sie – unser Volk ist frei.

OFFIZIER.

Der Wittwe St. Janvier gehört dies Haus.

Ich habe den Befehl sie zu verhaften,

sie, und die Töchter, sagt, wo find ich sie?

KLARA schnell.

Fort, sind sie, fort –[46]

OFFIZIER.

Wie?

KLARA.

Alle, alle fort.

OFFIZIER.

Das kann nicht sein, bewacht ist jedes Haus

KLARA.

Und dennoch sind sie fort –

OFFIZIER.

Wo sind sie hin?

KLARA.

Ei, was weiß ich – genug sie sind nicht hier.

OFFIZIER.

Und damit glaubt Ihr listig zu entschlüpfen?

Ihr wißt darum wo sie verborgen sind.

Wollt ihr bald reden –

ANNA deutet auf Klara.

Diese haltet fest,

denn immer hielt sie mit den Weißen es.

KLARA ängstlich doch bestimmt.

Du lügst, ich hasse sie.

ANNA höhnisch.

Ihr Schooßkind, Du?

KLARA.

Mein Vater ist es der Janvier getödtet

und seine Tochter sollte menschlich sein?

Durchsucht das Haus – für jedes Weißen Leben,

das meine Sorge Eurer Wuth entriß,

geb' ich mein eignes Eurer Rache preiß.

OFFIZIER hält ihr den Degen auf die Brust.

Bekenne, oder stirb –[47]

Nichts hab ich zu bekennen, sie sind fort.

OFFIZIER.

Was soll ich davon denken?


Zu den Wachen.


Ihr untersucht

das Haus, indeß ich diese hier bewache,

denn beide, scheint mir, sind in dem Komplott.

Sprengt alle Thüren –

ANNA.

Haltet, haltet ein.

Ha! wie ein Blitz fährt es durch meine Seele.

Die Schätze, die sie dort in Sicherheit gebracht,

es ist nicht Gold – es ist die weiße Brut.

KLARA.

Schweig' Anna, schweig' –

ANNA.

Dort sind sie, dort!

KLARA.

Erbarme dich, – sieh meine Todesangst.

ANNA.

Seht wie sie zittert – ha, bist Du gefangen?

Auf, folget mir, die Beute ist nicht fern.

KLARA wirft sich ihr in den Weg.

Zurück, zurück – erst mußt Du mich zertreten

ANNA.

Reißt sie von mir!

KLARA hält sie.

Nein, nur mit meinem Leben

ANNA.

Rückt schnell das Bett –[48]

KLARA.

Zurück – erbarme Dich!

ANNA.

Seht ihr die Thüre?

KLARA stürzt auf die Wachen hin, und schreit.

Haltet!

ANNA.

Reißt sie auf!


Alles dies geschieht.


ANNA.

Jetzt steigt hinab, ihr findet sie dort sicher.

OFFIZIER horcht.

Es regt sich in dem Grab –


Steigt hinab, einige folgen ihm.


KLARA stürzt auf die Knie.

Barmherz'ger Gott!

ANNA.

Sie sind's – sie sind's – wohl mir, es ist vollbracht.

KLARA.

O Gott im Himmel, kannst Du sie nicht retten?

OFFIZIER kommt, führt die Mutter.

Nur Muth – frisch zu, der Weg ist nicht so weit.


Sie kann sich kaum schleppen, wie sie auf der Bühne ist, stützt sie sich auf ihre Kinder.


KLARA.

Vergebt! – vergebt – ich konnte Euch nicht retten;

doch sterben kann die treue Magd mit Euch.

MUTTER.

Wer hat blutdürst'gen Feinden uns verrathen?

ANNA.

Mit Stolz bekenn' ich es – ich hab's gethan.[49]

Du Anna, Du? die ich so treu gepflegt,

am Krankenbett wie eine Mutter wachte?

Du lohnst mir jetzt mit Undank, mit Verrath?

So hat der Mensch vom Menschen nichts zu hoffen,

so lohnet Gott nur eine gute That.

Kommt Kinder – geht getrost dem Tod entgegen.

Dort reifet – dort gedeihet unsre Saat.

Wer so wie wir sich seinem Schöpfer naht,

der steigt aus Grabes Nacht zum schönsten Licht.

Wir lebten – liebten – thaten unsre Pflicht!

Muß hier die Unschuld jammernd untergehen –

Dort wird im Strahlenkleid sie siegreich auferstehen.


Ende des zweiten Akts.
[50]

Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 46-51.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon