Erster Auftritt

[51] Diakue, Judith.


JUDITH.

Was hast Du lieber Mann? entdecke mir

was Dein Gemüth so fürchterlich bewegt?

Ich mißte Dich so lang – laut schlug mein Herz,

wie einst als Braut, als ich Dich heut erblickte.

Doch nach des Wiedersehens heissem Gruß

trat zwischen uns ein feindliches Gesicht,

das Dich im großen Hause unstät treibt.

An jeder Kammer prüfst Du Schloß und Riegel,

in die Gewölbe stiegst Du schon hinab,

und angstvoll wie Du gingst, kehrst Du mir wieder.

Sonst wars nicht so – ich las in Deiner Seele,

und jeder leise Wunsch war mir bekannt.

Was hat Dein Herz so feindlich mir entwandt?

DIAKUE finster.

Ja – ich bekenn' es Dir – ich bin verstimmt. –[51]

Wer ist es nicht in diesen heißen Tagen?

Ich bin Soldat, doch d'rum nicht minder Mensch,

und mich empört der Weißen Angstgeschrei,

der Kinder Jammern und der Mutter Stöhnen:

doch das kann wilde Rachsucht nicht versöhnen.

O grauser Tag, vor dem die Menschheit bebt!

Hätt' ich den Gräul des Aufruhes nie erlebt!

JUDITH.

Auch mich ergreift ein ängstlich banges Beben,

hör' ich die wilden Horden Rache schreien,

dann wag' ich mich nicht in des Fensters Nähe,

und hülle schnell in Decken mir das Haupt,

bis das Geschrei in weiter Luft verhallt!

Doch sagt man, sei es klug und wohlgethan,

daß nun der Schwarze seine Fesseln lös't.

Was jetzt sich auch sein wilder Haß erlaubt,

Vergeltung ist es, was ihn drängt und treibt.

Nicht wie ein Mensch, als Thier ward er behandelt,

warum sollt' er nun strafend menschlich sein?

Erheitre Dich – es wird vorüber gehen,

Du wirst Dein Volk bald frei und glücklich sehen.

DIAKUE hat aufmerksam zugehört und sie forschend betrachtet, dann sagt er bitter.

Ja – frei – und glücklich – und –

JUDITH.

Was ist Dir?

DIAKUE.

Nichts!

Leb wohl –

JUDITH.

Wo eilst Du hin?[52]

DIAKUE.

Zum Morden, – ha,

ich will der schwarzen Gattin würdig seyn.

JUDITH.

Mit diesem wilden Blick eilst Du von mir?


Ergreift seine Hand.


Du zitterst Diakue – was ängstet dich?

DIAKUE.

Daß sich bei dem Geschäft das mich jetzt ruft

doch noch der Mensch im schwarzen Busen regt.


Kalt.


Ich hatte einen Freund – ich sah ihn morden,

und soll jetzt unweit hier auf offnem Markt

ihm Frau und Kind – ha, ha, ha, ha – denk Dir,

es ist fürwahr nur eine Kleinigkeit,

ihm Frau und Kind durch Henkers Hand ermorden!

Doch weise ist die grauenvolle That,

und Seegen quillet aus der blut'gen Saat.

JUDITH.

O Du bist fürchterlich.

DIAKUE.

Den Weißen nur,

Dir geht es nicht an's Leben, nein Dir nicht.

Viel gilt in dieser Zeit ein schwarz Gesicht.

Die Weiße gab wohl hundert Negern Brod,

und pflegte liebend sie wie ihre Kinder;

doch ob der weißen Farbe muß sie sterben

und ihre zarten Sprossen neben ihr;

Ein gräßlich Schauspiel – ha – willst Du sie sehen?

Ich bringe Dir die Leichen ihrer Kinder,

dir eckelt ja nicht ob dem vielen Blut.

So muß es sein – so wird der Schwarze frei.[53]

JUDITH.

O Diakue – o hab ich das verdient?

DIAKUE.

Verdient – verdient? Hat sie den Tod verdient?

Und dennoch trifft er sie, und grausend, fürchterlich.

Geh – bring mir Wein – es möcht' an Muth mir fehlen:

es geht nicht in die Schlacht, es geht zum Mord.

JUDITH.

Trink nicht in dieser Wuth, ich bitte Dich.

DIAKUE.

Wein bring mir, Wein – o gieb mir einen Trunk

der mich betäubt, daß ich mich selbst vergesse;

doch nein – laß mich besonnen – lebewohl.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 51-54.
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