Zweiter Auftritt

[54] Ein Offizier, Vorige.


DIAKUE.

Was giebts?

OFFIZIER.

Sie harren Dein –

DIAKUE.

Ich komme schon.

Doch sage mir – wie ist das Volk gesinnt?

OFFIZIER.

O hätten wir es grimmig schalten lassen,

es bliebe jetzt für Dich nichts mehr zu thun.

Wir führten die Gefang'nen zweimal fort,

weil sie der Haufe selber tödten wollte,

doch weil Du es befohlen, schützt' ich sie.[54]

JUDITH.

Wer stirbt?

OFFIZIER.

Die Wittwe St. Janvier.

JUDITH.

O Gott,

die Wittwe St. Janvier –

DIAKUE kalt.

Ja, ich vergaß

es Dir zu sagen, daß mein größter Feind

nun endlich den verdienten Lohn empfangen.

Er ist dahin – mit allen weißen Geißeln

ward in St. Marc er von dem Volk zerrissen.

Sie sagen


Mit gebrochner Stimme.


es war lustig anzusehen.

Nun kann ich mich nur an den Kindern rächen –

Ha, ha, – ha, ha – die Wittwe St. Janvier,

Du weißt es ja – wie ich die Menschen hasse! –

Jetzt soll ich sie – doch fort – nur muthig fort.

Wird Dir's zu öde hier – komm auf den Markt,

dort hat man alle Teufel losgelassen,

dort ruf' mit mir – hoch lebe Dessalines!


Stürzt ab.

Der Offizier ihm nach.


JUDITH.

Ha – nun erklärt sich alles schrecklich mir.

Er war es, St. Janvier, der ihn gerettet,

als eig'ne Sklaven ihm den Tod gedroht.

Und so soll er vergelten? Nimmermehr,

er kann den Tod nicht armen Waisen geben,

er ist Soldat – wohl heischt es seine Pflicht,

er wird sie üben – überleben nicht.[55]

Muß er sie morden, ist auch er dahin.

Ich fühl' es angstvoll, daß ich Wittwe bin;

nichts kann von seinem Haupt das Unheil wenden,

doch froh und muthig kann ich mit ihm enden.


Geht ab.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 54-56.
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