Erster Auftritt

[3] Kurzes Vorzimmer.

Wie die Symphonie aufhört, wird aufgezogen, und die Musik dauert innerhalb der Scene fort. Bediente tragen Speisen in das Seitenzimmer, und gehen ab und zu. Wie die Musik geendet, kommt Hasko, gleich darauf Sten.


STEN tritt hastig ein. Wo ist dein Herr?

HASKO. Dort, wo sich die kleinen und die großen Herrn nicht gerne stören lassen – beym Essen.

STEN. Geh', sage ihm, Sten sey hier.

HASKO sieht ihn an und setzt sich langsam nieder.

STEN. Was soll das heißen? melde mich geschwind!

HASKO. Nur Geduld – ist deine Bothschaft schlecht, so hat's nicht Eile, daß mein Graf das Schlechte wisse; ist sie gut, so wird sie unter dem vielen Guten, was er jetzt zu sich nimmt, gar nicht geachtet; darum warte, bis du sie dem wahren Werthe nach verkaufen kannst. Man hört einen Tusch. Hörst du? sie sind beym Trunk. Wenn brave Herren trinken, müssen treue Diener saufen. Hält ihm einen Becher hin. Da nimm den Becher, wohl bekomm' es dir![3]

STEN. Laß mich zufrieden.

HASKO. Trink –

STEN unwillig. Gift werde jeder Tropfen, den wir Beyde trinken, ehe du mich gemeldet.

HASKO der eben trinken wollte. Das ist ein hoher Schwur! Verdammt, nun muß ich gehen, damit die Kehle mir nicht trocken werde. Seitwärts ab.

STEN allein. Wie man die goldne Zeit vertändeln muß. Ein nützlich Wort muß man mit hundert weggeworfenen kaufen. Das Gesindel lebt nur für den eignen Schlund; wenn der naß ist, fragt es nichts nach denen, die verschmachten. Man hört wieder einen Tusch. Trinkt nur zu, ihr Herren; nach meiner Bothschaft schmeckt euch der beste Wein nicht mehr.

HASKO kommt zurück. Leib und Leben hätte ich verwettet, daß ich dir jetzt die Thüre zeigen müßte, und, straf mich Gott, ich armer Sünder hätte es verloren. »Sten warte!« sprach der Graf.

STEN. Sagte ich es nicht?

HASKO. Sten saufe, spreche ich, Gibt ihm den Becher. und den guten Rath, den ich für andere habe, habe ich auch für mich. Trinkt.

STEN trinkt, setzt aber gleich ab. Da nimm, die Kehle ist wie zugeschnürt, sie läßt heute nichts hinunter.

HASKO. Daß mich nur diese Krankheit nie befalle! Was ist dir denn begegnet? Sten, das ist nicht dein Gesicht, du hast es einem abgeborgt, der ein Schelmstück ausgeübt.

STEN. Ich trage so etwas bey mir – ein Schelmstück, das ein andrer verübte – ein – o wo bleibt der Graf![4]

HASKO. Ich wollte, daß er gar nicht käme. – Theilst du ihm etwas von deiner frohen Laune mit, so habe ich wohl auf lange Zeit das letzte freundliche Gesicht gesehen.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 3-5.
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