Zweyter Auftritt

[5] Richers, Vorige.


RICHERS tritt hastig ein. Wo ist Sten?

STEN. Hier, edler Graf, zu euren Diensten.

RICHERS zu Hasko. Laß mich allein.

HASKO geht ab.

RICHERS. Nun Sten, was hast du mir zu sagen? Hast du Kunde von unserm Herzog, wie geht es ihm?

STEN. Jetzt noch – gut – ich glaube gut –

RICHERS mit Zuversicht. Und bald noch besser. Ja, Sten, es muß anders werden.

STEN. ANDERS. wohl, doch besser? Graf, ich fürchte, schlimmer.

RICHERS. Was hast du? wo bleibt dein froher Muth?

STEN. Er ist dahin – und, Graf – der eure wird ihm folgen.

RICHERS betrachtet ihn. Hätte ich es doch aus deinem ganzen Wesen sehen sollen, daß du mir heute nichts Gutes zu verkünden kommst. Schnell. Was führt dich her? was hast du mir zu sagen?

STEN. Ein Übel, welches ich euch nach und nach verkünden muß; auf einmahl möchte es euch zu Boden schlagen.

RICHERS. Glaubst du, es fehle mir an Muth, ein drohend Übel fest in's Aug' zu fassen? Weiber schlürfen[5] tropfenweis das Gift, der Mann leert kühn den ganzen Becher; darum verweig're mir nicht länger meinen Antheil an der Sache, sprich –

STEN. Ihr wollt es so? es sey – Manns-Ille ist ermordet –

RICHERS. Manns-Ille?

STEN. Die Schriften, die er von dem gefangenen Herzog an die Höfe von Dänemark und Frankreich bringen sollte, sind in des Kanzlers Hand.

RICHERS. In des Kanzlers? Ja, du hast Recht, nicht jedes Schweden Nerven wären stark genug, die Bothschaft ohne Beben anzuhören. Doch sieh, noch stehe ich fest, noch kann ich fragen, wie ist das geschehen?

STEN. Auf der Landstraße ward er todt gefunden, der Schriften, und, um den Schein der Schuld auf gemeine Diebe zu wälzen, auch des Geldes beraubt. Vermuthlich ward die Sache eurem Oheim verrathen, und so –

RICHERS. Mein Oheim? Ha – es wird hell, es wird ganz Tag – mein Oheim ist der Thäter.

STEN. Verzeiht, daß ich das auch zu glauben wage.

RICHERS. O glaube es nur, denn in ganz Schweden wird kein Bubenstück verübt, dem er mit seinem Ansehen, Rang und Würde nicht zur Seite stände. Ein Mord in den Mantel der Politik, der Staatsklugheit gewickelt, ist ihm nicht Sünde, Pflicht nennt dieser Chrvergessene solche Thaten; das sind die Stufen, auf denen man dem Throne näher steigt. Gott! – des Herzogs Schriften in des Kanzlers, in seines ärgsten Feindes Hand! –[6]

STEN. Sie werden uns mit ihm verderben.

RICHERS. Nein – ich kenne ihren Inhalt, uns bringt das nicht Gefahr; der Herzog nannte niemand, sprach nur unbestimmt von seinem Anhang, den er noch in Schweden hätte –

STEN. Schlau wird nun euer Oheim die Verbündeten entdecken wollen – darum habt Acht auf jede Miene, wägt jedes Wort.

RICHERS. Ja, Sten, behutsam laß uns gehen, doch nicht verzagt; denn das Bewußtseyn der gerechten Sache gibt uns Stärke. Wir schlossen keinen Bund, die alte Ordnung umzuwälzen, uns launenhaft nur einer andern, wenn auch nicht bessern Führung zu vertrauen, nein, unsern Herzog dem Gefängniß zu entreißen, ihn seinem Volk und uns zurück zu geben, das ist's, was jedes Herz im Einklang sucht, und unser Arm erkämpfen muß, schlägt jedes andere Mittel fehl. – Struen, Theit und Botwid sind bey mir, die Übrigen berufe ich heute noch zusammen; es sind Finnländer, Männer, die lieber sterben, als die geschworne Treue brechen, komm. Gehen seitwärts ab.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 5-7.
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