Zweyter Auftritt

[48] Gruskel, die Vorigen.


GRUSKEL sperrt einige Schlösser auf, dann tritt er ein; im Hereintreten. Die Schlösser sind nicht stark genug, da muß mehr Eisen her.

JOHANN. Was ist das?[48]

GRUSKEL nimmt ganz leicht die Kappe ab und setzt sie wieder auf. Ich werde hier wohl nicht mit guten Augen angesehen, aber, das kann nicht helfen, wir müssen einander schon ertragen.

JOHANN. Wer bist du? warum kommst du hierher?

GRUSKEL. Damit ihr nicht wegkommt, Herzog, darum komm' ich her. Die Thüre eurer vorigen Wohnung war nicht fest genug, sie hatte Spalten, durch die sich wohl ein Briefchen stecken ließ.

JOHANN für sich. Ha meine Ahnung – Ille – Laut. Wo ist Swart'? er ist mein Wächter.

GRUSKEL. Er war es; nun müßt ihr euch an mich gewöhnen. Swarte war nicht für ein solches Amt gemacht. Ein Kerkermeister, der nicht flucht, dem, Gott verzeih' mir's, gar die Thränen in die Augen kommen, der mit den Gefangenen bethet, jammert, klagt, der wird von seinen Untergebenen nicht respectirt. Man muß beständig, was man ist, vor Augen haben. Ich werfe mich nicht weg, mach' mich nicht gemein, bey mir schließt kein goldner Schlüssel, und Thränen kann ich wie Bäche rinnen sehen. Kurz, Gruskel steht auf seiner rechten Stelle.

JOHANN. Ist Swarte todt?

GRUSKEL. Vor der Hand nur abgesetzt, aber – was ihm gebührt, wird er empfangen. Frau Herzoginn, ihr geht mit mir.

CATHARINA erschrickt. Wer? ich?

JOHANN. Mein Weib? wer wagt es, sie von mir zu trennen?

GRUSKEL. Ein Abgesandter eures Vaters will euch sprechen, folgt mir in die große Stube.[49]

CATHARINA bebt. Meines Vaters?

JOHANN. Wehe mir!

CATHARINA. Von meinem Vater?

JOHANN. Er fordert dich zurück – ich werde dich nicht wieder sehen.

SIEGMUND ängstlich. Mutter –

CATHARINA gefaßt. Seyd ruhig – ich weiche nicht von euch. Zu Gruskel. Der Abgesandte komme, hier will ich ihn sprechen.

JOHANN. Er wird dich mit Gewalt von meiner Seite reißen, wenn er dich so behandelt sieht.

CATHARINA. Gewalt – die Gattinn? die Mutter mit Gewalt? Man kann mit einem Mord uns drey wohl tödten, aber trennen nicht. Er komme –

GRUSKEL. Ihr wollt es so. Ich habe den Befehl, mich euch in nichts zu widersetzen, was mit der Sicherheit verträglich ist. Aber er sagt, er habe mit euch allein zu sprechen.

CATHARINA zu Johann. Entferne dich, verberge dich in dem Gewölbe.

GRUSKEL ab.

JOHANN. Könnte ich wohl dem Manne in's Auge sehen, der vielleicht ein Zeuge meiner Schwüre war, dich zu der Glücklichsten zu machen. Wie habe ich meinen Schwur erfüllt? Im dumpfen Kerker, des Tageslichts beraubt, so sieht er dich.

CATHARINA. Entferne dich – laß mich mit ihm allein – vielleicht – o Gott! – wird er der Engel unserer Rettung. Mann – Kind – was auch seine Sendung sey, allein führt er mich nicht aus diesem Kerker.[50]

JOHANN hebt das Kind auf ihre Arme. Mutter! vergiß nicht deines Sohn's, deines Gatten. Siegmund, bitte die Mutter, daß sie noch ferner unser Elend theile, daß sie uns nicht verlasse.

SIEGMUND. Mutter, liebe Mutter, verlass' uns nicht!

CATHARINA. Gott möge mich verlassen, wenn ich euch je verlassen könnte. Drey Wesen sind wir, doch wir haben nur ein Leben, das können sie uns nehmen, aber trennen kann uns nichts.

JOHANN. Nichts. Umarmt sie heftig. Gott stehe dir bey!


Ab mit Siegmund in ein Seitengemach.


CATHARINA allein. Ein Bothe meines Vaters – haben seine Briefe nicht schon mein Herz zerrissen? Gott! wenn er wüßte, daß ich Mutter bin, wenn er das Kind aus meinen Armen riß. – Nein, nein, noch weiß er nichts, wir sind ja, gleich Begrabnen, längst vergessen. Man kommt. Wie schlägt mein Herz, wie zittern meine Knie.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 48-51.
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