Neunter Auftritt

[84] Catharina, Siegmund, die Vorigen.

Man erblickt Catharina ohnmächtig auf einem Ruhebette, die Frauen der Königinn sind um sie beschäftigt.


WOLOWSKY schreyt, wie er sie erblickt. Catharina! – Gott! –[84]

KÖNIGINN. Seit einer Stunde liegt sie ohne Leben.

WOLOWSKY stürzt hin und faßt sie bey der Hand. Catharina –

CATHARINA bewegt sich.

KÖNIGINN. Sie bewegt sich, sie athmet wieder.

CATHARINA richtet sich auf, sagt schwach. Wer ruft? Erschrickt, wie sie Wolowsky sieht. Wer bist du?

WOLOWSKY mit Thranen. Gort! sie kennt mich nicht.

CATHARINA sieht ihn an. Ich sollte dich wohl kennen. Zieht mir den Schleyer von den Augen – so – ja – ja ich kenne dich, du warst dabey, wie ich – Erkennt ihn. du bist Wolowsky!

WOLOWSKY. Gott!

CATHARINA blickt um sich. Wo sind wir? wer sind die Frauen? habe ich denn meinen Hofstaat wieder? Steht auf, scheint sich zu erinnern, schnell zu Wolowsky. Wolowsky, du wolltest Hülfe bringen – ja – so war es, du versprachst sie mir.

WOLOWSKY. Erhohlt euch – ihr seyd schwach.

CATHARINA. Nein, nein, ich bin nicht schwach – sprich nur, sprich schnell, sind wir gerettet?

WOLOWSKY. Ach! –

CATHARINA. Du blickst dich ängstlich um? Komm, folge mir in jene Ecke, dort wird uns niemand hören – nun sprich – Ängstlich dringend. Sind wir gerettet? ist Johann frey?

WOLOWSKY wehmüthig. Er wird es werden – bald lösen sich die Fesseln.

CATHARINA. Er wird frey? frey! O laßt mich hin zu ihm! Die Frauen halten sie auf. Laßt mich doch fort, er wird mich längst vermissen, wir waren nie getrennt. Ich hohle[85] ihn aus seinem finstern Gewölbe, ich führe ihn in Gottes freye Luft – o laßt mich fort, er wird mich suchen.

KÖNIGINN tritt zu ihr, nimmt sie in ihre Arme. Bleibt bey mir, ihr könnt ihn jetzt nicht sprechen.

CATHARINA sieht sie finster an. Wer seyd ihr? ein Diadem schmückt eure Stirne? o dann schlägt kein Herz in eurem Busen. Ich trug es auch, ich warf es weg. Greift nach dem Kinde und zeigt ihm furchtsam die Königinn. Siegmund! sieh, so sehen die aus, die uns verfolgen.

WOLOWSKY. Verzeiht ihr, Königinn!

CATHARINA erschrickt. Königinn? – Verbergt mich, laßt mich fort! sie haßt mich! – Wolowsky! bringe doch mein Kind in Sicherheit, sie wird es mir entreißen! – O seyd barmherzig! er ist mein Alles, ich habe nichts als ihn. Fällt, das Kind beschützend, auf die Knie.

KÖNIGINN. Unglückliche! – bald sollst du mich erkennen. Schnell ab.

CATHARINA sieht ihr nach. Sie geht, dort sah ich sie verschwinden – sie geht zu ihm – Springt auf. o eilt ihr nach, sie beschleunigt Johanns Tod – Wolowsky, drohe doch! Mein Vater ist ein König, und er hat Krieger, Waffen, und Gott hat Blitze, die er auf die Verruchten schleudert. Blickt gen Himmel. Will keiner Treffen?

WOLOWSKY nimmt sie bey der Hand. Kommt zu euch selbst.

CATHARINA. Will keiner treffen? jetzt, jetzt – der Himmel öffnet sich, es fällt ein Feuerregen; weg mit den Funken, Flammen müssen diese Welt verzehren. Jetzt speyt die Hölle ihr verzehrend Feuer, die Winde heulen, zerstörend naht der Sturm, die Ströme treten aus den[86] Ufern – alle Elemente müssen wüthen, dann hört der Mensch zu wüthen auf.

WOLOWSKY. Gott! Ringt die Hände. Gott –

CATHARINA. Jetzt wird es still – fort sind die Würger, die Fluth hat sie hinweggespühlt. Leise. Johann! tritt hervor aus deiner Höhle, sie sind fort; der Aufruhr ist gestillt, der Engel Gottes winket Ruhe. Sie erblickt die Königinn, welche sich in einem langen weißen Gewande verschleyert naht. Allmächtiger Gott! Pause, dann sagt sie bebend. Seht hin! seht hin! da schwebt sie her, die göttliche Gestalt – so sah ich sie, so nahte sie sich meinem Schmerzenlager, so gab sie mir die Hand.

KÖNIGINN sanft. Catharina – du brauchst Hülfe –

CATHARINA. Es ist ihr Ton – es sind dieselben Worte – sie ist's – du bist's, du bist's. Fällt vor ihr nieder.

KÖNIGINN wirft den Schleyer zurück und reißt sie an sich. In meine Arme, an mein Herz!

CATHARINA sieht sie forschend an. So bist du wirklich eine Sterbliche? Fühlt an ihr Herz. Ja, ja, hier schlägt es, wie bey mir – aus deinen Augen brechen Thränen, du bist ein Mensch, denn du fühlst Mitleid und Erbarmen. Fällt ihr um den Hals.

KÖNIGINN. O könnte ich mehr, als deine Leiden fühlen, könnte ich helfen.

CATHARINA vertraut. Mir ist geholfen, er wird frey – ich fliehe dann mit ihm in öde Wälder, ich will ihn schon verbergen, sie sollen ihn nicht finden. Nimmt ängstlich Siegmund bey der Hand. Rette mir nur den Knaben, verhülle ihn mit deinem Schleyer – der König weiß nicht, daß ich ihn geboren – sieht er ihn, so läßt er ihn[87] ermorden. Sie verhüllt den Knaben mit einem Theil des Schleyers der Königinn. So laß uns durch die Wachen gehen, sie werden ihn nicht sehen. Bittend zu den Frauen. Ihr müßt es niemand sagen, daß ich Mutter bin; ihr müßt mir auch nicht folgen, das erregt Verdacht. Zur Königinn. Nur du verlaß mich nicht – sey meines Kindes Mutter, wenn ich nicht mehr bin. Pause. So – jetzt sind wir an der Pforte – man hält uns auf – warum ruft ihr zurück? was soll der lange feyerliche Zug? Die Glocken tönen dumpf – die Priester bethen, die Kerzen flackern, jetzt kommt der Sarg – wie – kein Weinender begleitet ihn? kein Kind, kein Weib folgt ihm zum Grabe? – Hebt den Deckel auf – ich will den Todten sehen. Befehlend. Den Deckel weg! sag' ich – wer war der Todte? Schaudernd. Er ist ohne Haupt – dort liegt, dort zuckt es. Schreyt. Johann! Stürzt dann zusammen.

WOLOWSKY. O Jammer!

KÖNIGINN. Bringt sie zu sich, laßt sie nicht allein – ich kehre bald zurück. Vielleicht – Für sich. Gott! Gott! ein dämmernd Licht erblicke ich in weiter Ferne, verlösche nicht den schwachen Schimmer – laß mich es erreichen, laß mich der Engel ihrer Rettung seyn.


Ende des vierten Aufzugs.
[88]

Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 84-89.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Sophonisbe. Trauerspiel

Sophonisbe. Trauerspiel

Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.

178 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon