Sechster Auftritt

[96] Richers, die Vorigen.


RICHERS tritt gefaßt ein.

JÖRAN. Schändlicher! was hast du gethan?[96]

RICHERS. Nichts – denn ihr habt mich an dem guten Werk verhindert.

KÖNIG. Wie?

RICHERS. Ja König, wisset es, ich wollte die schwarze That, zu der euch dieser hier verleitete, unmöglich machen. Ich wollte das Opfer der Gewalt entziehen. Zu Jöran. Doch deine Teufel standen auf der Lauer, und bringen deiner Mordbegier ein neues Opfer.

KÖNIG. Verräther – sprich, wo ist der Herzog?

RICHERS. Wie?

JÖRAN. Wo hast du ihn versteckt?

RICHERS. Den Herzog?

JÖRAN. Umsonst suchst du zu läugnen. Johann ist entfloh'n, und du bist sein Gehülfe.

RICHERS starrt ihn an. Entfloh'n –? der Herzog? entfloh'n sagt ihr? er ist gerettet? Mit dem Ausbruch der höchsten Freude stürzt er auf die Knie. Gott – Gott – er ist gerettet. Springt rasch auf. Oheim sagt es noch ein Mahl. Ich habe oft gemurrt, daß mir die Vorsicht einen solchen Blutsverwandten gab, sagt noch ein Mahl, der Herzog ist gerettet, und ich umfasse eure Knie, bethe euch an, will euch wie meinen Vater lieben.

KÖNIG. Was ist das?

JÖRAN. List, verdammte List – Verstellung, um uns irr' zu führen, Zeit zu gewinnen, den Raub in Sicherheit zu bringen, doch die Folter soll –

RICHERS. Schleppt mich zur Folter, lös't Glied für Glied von meinem Körper, ich fürchte nichts, ich leide nichts – er ist gerettet, zwar nicht durch mich – Gott legte den Entwurf in meine Brust, doch der Sterbliche[97] schien ihm zu schwach, ihn auszuführen, er sandte einen Engel, und er ist gerettet, er ist frey.

JÖRAN. Verdammtes Gaukelspiel – sprich Rasender, wo ist der Herzog?

RICHERS mit der größten Freude. Wohl ihm, daß ihr das nicht wißt! wohl ihm!

JÖRAN. Und wehe dir!

KÖNIG. Man soll euch zum Geständniß zwingen.

RICHERS stolz. Zwingen? König! versuchet eure Allmacht nicht an meinem festen Sinn. Die Form des Menschen kann ein Wink von euch zerstören, doch über seinen Willen habt ihr keine Macht. Versuchet es, martert mich – was in dem grauen Alterthum die Märtyrer um des Glaubens willen litten, was unsre Weichheit jetzt für Fabel hält, er schöpft euch in allen diesen Qualen, ich dulde sie. Mein Muth steht unerschütterlich, und wie ein Felsen fest. Ihr Könige der Erde richtet über Staub, der innre bessere Mensch wird nur von Gott gerichtet, und steht nicht unter irdischer Macht. Allein, damit euer hoher Rath sich nicht verwirre, nach einem andern Opfer hasche, – so wißt, ich weiß von seiner Flucht. – Jetzt führt mich fort, und thut, was euch gelüstet. Wo er ist, und wie ich es vollbracht, ich bitte euch, thut Verzicht darauf, das von mir zu hören, denn jeder weitern Frage bleibe ich Antwort schuldig.

JÖRAN ruft. Wache! Wache tritt ein. Ich nehme es über mich, dir schwaches Menschenkind zu zeigen, daß irdische Macht der Schwärmerey der Jugend überlegen ist. Zur Wache. Legt ihn in Ketten.

KÖNIG. Fort mit ihm. Wirft sich unruhig in einen Stuhl.[98]

RICHERS tritt vor seinen Oheim, sieht ihn durchdringend an, dann verläßt er ihn mit einem verächtlichen Blick.

BRASKE geht auf ihn zu. Jüngling, ich lese in deiner Seele. Dein Blut verläugnet dich – allein stehst du am Ende deines jungen Lebens! du siehst noch einmahl in die Welt zurück, und kein verwandtes Auge weint dir nach? Komm an mein Herz, es schlägt für dich, ich weine um dich. Ziehe hin, und denke, das sey Vaterkuß. Küßt ihn bewegt.

RICHERS zu Jöran. Ihr habt mich verdammt, der Fremde segnet mich. Für einen solchen Oheim gewinn ich diesen Vater – So lohnt Gott nur eine gute That – seht, seht, ihm bin ich kein Verbrecher – ja Vater, segne mich – Gerührt. und glaube, es sey dir ein guter Sohn gestorben.

BRASKE legt gerührt die Hand auf sein Haupt. Ich segne dich.

JÖRAN heftig. Fort mit ihm!


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 96-99.
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