Erster Auftritt

[280] Bilau, Grundmann.


BILAU. Also die Räthin ist nicht zu bewegen?

GRUNDMANN. Ein wahres Phänomen unserer Zeit. Wenige Frauen halten dem lebenden Manne so Wort wie sie dem todten.

BILAU. Ihre Meinung wäre also, zum Aeußersten zu schreiten, meinen Sohn zu einem Entschluß zu bringen?

GRUNDMANN. Dazu, daß man Dero Braut förmlich in das Haus einführe.[280]

BILAU. Hem – das hätte ich gerne vermieden, das wird ein Stadtgerede. Lacht. Indeß – jeder wackere Mitbürger ist verpflichtet, wenn gerade nichts auswärtiges die Zungen beschäftiget, auf ein paar Tage seinen guten Namen her zu leihen.

GRUNDMANN. Und hier leihen wir mit Wucher.

BILAU. Nun denn – ins Himmels Namen, lassen wir das Mädchen kommen.

GRUNDMANN reibt vergnügt die Hände. Sie ist schon da, werther Herr Prinzipal.

BILAU. Schon da?

GRUNDMANN. Schon seit einer Stunde auf meinem Zimmer.

BILAU. Hören Sie – das macht mir ordentlich Herzklopfen – wie sieht sie denn aus?

GRUNDMANN. Hem – nicht zu verachten, vor etwa 30 Jahren –

BILAU lacht. Hätte sie nicht eine Stunde auf Ihrem Zimmer bleiben dürfen. – Wäre sie Ihnen da in die Nähe gekommen –

GRUNDMANN. Es hätte Funken gegeben, werther Herr Prinzipal.

BILAU. Ei der Tausend – da könnte meine alte Hütte wohl gar in Flammen aufgehen.[281]

GRUNDMANN lacht. Ha, ha, ha, stehe für nichts.

BILAU. Fühle schon eine gewisse Unruh –

GRUNDMANN. Der Bräutigam, der Bräutigam.

BILAU lachend. Närrisch wäre es denn doch, wenn daraus Ernst –

GRUNDMANN. Gratulor, gratulor

BILAU auf einmal ernst. Warum nicht gar. – Ich habe mich freilich ziemlich conservirt, aber es giebt denn doch schon tiefe Falten. – Lassen wir den Spaß bleiben, ich glaube die Dirne lacht mir ins Gesicht, wenn ich – lassen wir es bleiben.

GRUNDMANN geht achselzuckend einige Schritte. Werde sie also mit Protest –

BILAU. Freilich – der Junge muß Ernst sehen.

GRUNDMANN. Das denke ich auch –

BILAU. Wir bleiben sonst immer auf derselben Stelle.

GRUNDMANN. Kommen nicht vom Fleck –

BILAU. Und für das Glück seiner Kinder –

GRUNDMANN. Muß ein Vater alles thun.[282]

BILAU. Sie haben recht – alles. In Gottes Namen denn, holen Sie das Mädchen, ich will den Kampf bestehen.

GRUNDMANN. Es ist ja nicht der Kampf mit einem Drachen.

BILAU. Aber mit einer Sirene, die manchmal zum Drachen wird. Geschwind holen Sie das Mädchen, ehe es mich wieder gereut.

GRUNDMANN. Ich eile, ich fliege. Ab.

BILAU sieht ihm nach. Ei seht doch – der bedächtige Alte, der sonst nie aus seinem gemessenen Schritt kam, fängt heute an zu gallopiren, zu fliegen. – Das muß wahr sein, einen schönen Cupido habe ich mir zu meiner Liebesintrigue ausgesucht. – Horch kommt sie schon? – Ich bin, weiß Gott, ganz verlegen. Sieht in den Spiegel. Auf dieser Seite ist der Puder weg – daß dich – da giebt es graue Haare – ich will denn doch den Schaden repariren. Will ab, bleibt plötzlich stehen. Alter – lass' dich nicht vom Teufel blenden – du willst ja nicht heirathen, denkst nicht daran – es soll ja nur ein Schreckschuß sein, meinen Sohn aus seinem Taumel zu wecken – ist er erwacht, reicht er einem braven Mädchen die Hand, dann wandelt meine kleine Braut mit einer hübschen Mitgabe ihrem Dörfchen zu, reicht einem braven Bauerburschen ihre Hand, und betet für den alten Herrn, daß er sie nicht zu seiner, sondern zu der Frau eines braven Landmannes gemacht habe.[283]


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 280-284.
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