Zweiter Auftritt

[284] Käthe, Bilau, Grundmann.


GRUNDMANN oeffnet die Mittelthüre. Nur da herein.

KÄTHE gukt herein. In die schöne Stube? – Ach Herr Je, wenn ich nur nichts verderbe, warte Er, ich komme gleich zurück.

GRUNDMANN hält sie. Wo willst Du hin?

KÄTHE. Sieht Er denn nicht – der Regen, meine Schuhe, ich will sie nur ein wenig –

GRUNDMANN. Bleib – da geh hinein – mach Deinen Knix.

KÄTHE tritt furchtsam ein, bleibt an der Thür stehen, macht einen Knix.

BILAU. Nur näher Kind.

KÄTHE leise zu Grundmann. Soll ich?

GRUNDMANN. Freilich.

KÄTHE geht etwas vor, macht wieder einen Knix.

BILAU für sich. Ein hübsches Kind – so komm doch[284]

KÄTHE. Es ist ja gegen den Respekt.

GRUNDMANN. Gehe nur näher, der Herr hat es gerne.

KÄTHE. Bei uns glauben die Bauern, es schicke sich nicht wenn man den vornehmen Leuten so auf den Hals tritt; aber wenn es der alte Herr gerne hat – so geh ich ihm schon näher.

GRUNDMANN leise. Du mußt ihn nicht alter Herr nennen.

KÄTHE. Er ist aber alt.

GRUNDMANN. Du brauchst es ihm aber nicht zu sagen.

KÄTHE. Hört ers nicht gerne?

BILAU. Komm her mein Kind – tritt vor mich hin.

KÄTHE geht hin, küßt ihm die Hand, und macht wieder einen Knix. Grüß den Herrn Gott.

BILAU. Wie geht es bei Euch auf dem Lande?

KÄTHE. Ei gut – Heu, Haber, Korn und Gerste, als voll auf. Die Bäume tragen kaum ihre Lasten – die standen aber auch heuer in der Blüthe, alle sahen so weiß aus, wie dem Herrn sein Kopf[285]

GRUNDMANN hustet verlegen.

KÄTHE. Der Weinstock, für den wir des Regens wegen schon sehr in Sorgen waren, macht sich auch hübsch heraus, es giebt Trauben genug. Der Vater meinte ich sollte Ihm das gleich sagen, denn die Stadtherrn hätten immer Durst, und fragten fleißig nach dem Wein.

BILAU. Wie geht es Deinem Vater?

KÄTHE. Wie es dem Bauer geht – dem ist nicht leicht was recht. Bald zu viel Sonnenschein, bald zu viel Regen; der liebe Gott kann es meinem Vater nie recht machen, damit tröste ich mich, wenn ich sehe daß ich ihm auch nichts recht machen kann.

GRUNDMANN. Es geht ihr gut vom Munde.

BILAU. Also bist Du mit Deinem Vater nicht zufrieden?

KÄTHE. Ei, wer sagt Ihm das? – Ja wohl bin ich mit meinem Vater zufrieden, aber er nicht mit mir.

BILAU. Warum denn?

KÄTHE. Das hat seine Ursachen, die kann ich dem Herrn nicht sogleich sagen, da müssen wir erst besser bekannt mit einander werden.

BILAU. Also willst Du bekannter mit mir werden?[286]

KÄTHE. Nun freilich.

BILAU. Du weißt warum Du in die Stadt gekommen?

KÄTHE. Wenn ich das nicht wüßte? Ich soll den Herrn heirathen.

BILAU. Und willst Du gerne meine Frau werden?

KÄTHE. Mit Freuden.

GRUNDMANN reibt sich die Hände und sagt leise zu Bilau. Gratulor.

BILAU halb verschämt. O gehen Sie doch – das wäre –

GRUNDMANN. Gottes Fügung –

BILAU. Ich begreife gar nicht –

KÄTHE. Der Vater sagt, wenn ich den Herrn heirathe, brauche ich nicht mehr vor Tages aus dem Bette und ehe noch die Sonne über die Berge gukt, auf das Feld zu gehen. Er sagt auch Lacht dumm. hi hi hi, ich würde schöne Kleider kriegen, und in einer schönen Stube sitzen. Nun sag Er mir, lieber Herr, ist das wahr?

BILAU. Das ist alles wahr.[287]

KÄTHE. In einer solchen Stube werde ich wohnen? Sieht sich um.

BILAU. In einer noch viel schönern.

KÄTHE. Höre Er – ich heirath Ihn gar zu gerne.

BILAU zu Grundmann. Die kleine Hexe – hätte nicht geglaubt in meinen alten Tagen.

GRUNDMANN. Nun wie alt sind wir denn?

BILAU. Wir beide? Jeder von uns kann den 30 jährigen Krieg zweimal mitgemacht haben.

GRUNDMANN. Ei was, wenn man nur mit ganzen Gliedern davon kömmt. –

BILAU betrachtet Käthe, dann zu Grundmann. Hübsch ist das Mädchen, ein bischen roh ist die liebe Seele; indeß die Stadtluft würde das bald verwischen. Sehen Sie sie doch einmal an – je mehr ich sie betrachte – sie sieht meiner seligen Frau ähnlich.

GRUNDMANN. Richtig – die Nase –

BILAU. Die war bei meiner seligen Frau etwas zu groß, den Fehler hat sie nicht. Wissen Sie was, lassen Sie mich einen Augenblick mit ihr allein, ich will denn doch sondiren, weß Geistes Kind sie sei.[288]

GRUNDMANN. Lauter Tugend und Unschuld, seltene Artikel, schwer aufzutreiben, freilich ländliche Sitten, aber unverdorben.

BILAU. Wenn Jemand kömmt, ich habe Geschäfte.

GRUNDMANN. Verstehe – die Post nicht expedirt, einen Wechsel zu acceptiren.

BILAU. Recht, einen Wechsel –

GRUNDMANN. Der Funke fängt, bald schlägt die Flamme zum Dach hinaus, aber ich werde nicht löschen – es ist ein Jubelfeuer, ich wärme mich, ich werde wieder jung dabei, ich schreie aus dem Grunde meines Herzens gratulor, gratulor! Schnell ab.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 284-289.
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