Erster Auftritt

[311] Julie, Rosalie.


JULIE stickt.

ROSALIE tritt hastig ein.

JULIE springt auf. Nun weißt Du noch nichts?

ROSALIE. Leider ja.

JULIE. Leider?

ROSALIE. Das Unglück ist geschehen.

JULIE. Um Gotteswillen![311]

ROSALIE. Sie haben sich duellirt.

JULIE. Wer ist todt?

ROSALIE. Keiner ist todt – aber ärgerlich ist es denn doch, daß sich zwei Freunde so vergessen können. Ich habe Martin spioniren geschickt; Langers Bedienter besorgte Degen und Pistolen.

JULIE schreit. Pistolen?

ROSALIE. Bei Ferdinand muß man sich wundern, wenn er nicht mit Kanonen zu Felde zieht. Wenn der ein großer Herr geworden wäre, der ließe marschiren; Gott sei meinem Ehestand gnädig, ich werde die weiße Fahne auf allen Hüten und Hauben aufpflanzen müssen.

JULIE. Aber so erzähle doch, wie –

ROSALIE. Man hat Postpferde bestellt.

JULIE. Wer ist fort?

ROSALIE. Keiner. Martin hat sich im Bilauschen Hause auf der Treppe in ein Winkelchen postirt, Ferdinand gieng wie ein Rasender an ihm vorüber; bald darauf kam Langers, den Hut tief in die Augen gedrückt, den Mantel über das Gesicht geschlagen, Martin sagt, es war schauerlich. Kaum war Langers in das Zimmer getreten, hörte Martin laut und heftig[312] sprechen, er näherte sein langes Ohr der Thüre, und hörte deutlich –

JULIE. Den Schuß?

ROSALIE. Degen-Geklirr.

JULIE. Er stürtzte gleich hinein – zwischen sie?

ROSALIE. Dazu hatte er sein 78 jähriges Leben zu lieb, er wartete ganz ruhig ab, bis einer schrie – halt, ich bin verwundet.

JULIE. Wer ist verwundet?

ROSALIE. Ihm schien, es war Langers –

JULIE. Nun drang Martin ins Zimmer, half, verband die Wunde?

ROSALIE. Nicht doch, Martin eilte nach Hause.

JULIE. Und Langers blieb ohne Hülfe?

ROSALIE. Hätte Martin Lärm gemacht, wüßte es jetzt die ganze Stadt.

JULIE. Aber ihm wäre geholfen, jetzt liegt er in seinem Blute –

ROSALIE. Was schadet das einem vollblütigen Menschen?[313] Besser er verliert ein paar Unzen Blut, als wir unsern guten Namen.

JULIE. Diese Kälte, diese Ruhe – wäre Ferdinand der Verwundete, Du würdest nicht so sprechen.

ROSALIE. Du irrst – wenn es nicht an's Leben geht, so möchte ich wohl, daß Ferdinand der Gezeichnete wäre. Glück im ersten Duell kreirt eben so gewiß einen privilegirten Duellanten, wie die erste Terne einen ausgemachten Lottospieler schafft. Nun geht erst der Zweikampf mit mir an, nun fragt es sich erst, ob ich den Herrn nehme? Die Todtschlagekunst hat im Universum Unglück genug angerichtet; das ginge mir ab, daß man jetzt den Krieg so im Kleinen in den Häusern führte.

JULIE. Schicke doch gleich hin –

ROSALIE. Weßhalb?

JULIE. Damit wir hören was der arme Langers –

ROSALIE. Der ist für uns ein weltfremder Mensch; wäre er in der Schlacht geblieben, wir dürften nicht einmal schwarz um ihn gehen.

JULIE. Es erfordert ja die Menschenliebe, daß man –

ROSALIE. Ruhig abwartet.

JULIE. Schwester! Um Deinetwillen ward –[314]

ROSALIE. Troja zerstört.

JULIE. Diese Härte, diese Kälte –

ROSALIE. Macht den Kontrast zu Deinem Mitleid, Deinem Feuer. – Julie! wie ist Dir denn? Dein Gesicht glüht, Dein Herz pocht, Dein Auge sagt – ich liebe. O Amor und Psyche, es ist um Dich geschehen.

JULIE. Ach! –

ROSALIE. Horch – Geräusch auf der Treppe – die Ritter nahen, das Gericht beginnt.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 311-315.
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