Achter Aufftrit.


[29] Roderigo, Ferrante, Donato. Allegro auff der Seite.


FERRANTE. Jhr Excellentz wir haben nichts gewissers zu hoffen / als daß nunmehr der rasende Pöbel in vollem Anzuge begriffen ist / den Pallast zu stürmen.

RODERIGO. Wer hat die Zeitung so gewiß gemacht?[29]

FERRANTE. Der Herr Secretarius wird die Sache ausführlicher berichten können.

DONATO. Es ist an dem daß nunmehro zehn tausend Personen beysammen sind welche die Zollhütten mit Feuer vertilgen / auch allbereit etliche Gefängnisse erbrochen haben / damit sie durch allerhand lose Buben die Trouppen verstärcken möchten. Die meisten haben das ietzige kleine Brod auf eine Picqve gestecket / und ruffen: GOtt gebe unserm Könige langes Leben / und beschere uns wohlfeile Zeit / aber das böse Regiment hole ein ander. Bey diesem bleibt es nicht / sondern etliche führen auf den Stangen schwartze Lumpen / und ruffen mit erbärmlicher Stimme; sie wären arme Seelen / die gerne wolten aus dem Fege-Feuer erlöset seyn / nach dem sie von den unbarmhertzigen Zöllnern wären darein verbannet worden.

RODERIGO. Aber sie brauchen noch keine Gewalt gegen unsere Soldaten?

DONATO. Sie stehen vor dem Thore / und begehren absolute Erlassung des Frucht- und Mehl-Zolles / und ich besorge / wo jhre Excellentz durch dero hohe Autorität keinen Nachdruck giebet / so möchte hernachmahls die Sache noch schlimmer werden.

RODERIGO. Wohl / ich wil mich an dem Fenster zeigen / und dem Volcke mit süssen Versprechungen begegnen.

ALLEGRO. Nun hat das Volck auch einmahl die Ehre / daß sich der Vice-Roy an ein Fenster fodern läst: sonst waren die Audientzen nicht so wohlfeil.

FERRANTE. Was rath man Herr Secretari?

DONATO. Hätte man bißhero guten Rath angenommen / so dürffte man nun keine vergebene Sorge.

FERRANTE. Was hätte man aber thun sollen?

DONATO. Man hätte das Armuth nicht so beschweren sollen.

FERRANTE. Wer wil dem Könige die Intraden beschneiden?[30]

DONATO. Jhr Gnaden halten mir es zu gute / daß sind gewiß keine Königliche Intraden, davon geringe Personen so grosse Palläste bauen können.

FERRANTE. Der Adel muß unterhalten werden.

DONATO. Aber nicht mit Ruin des andern Volcks.

FERRANTE. Das Volck ist dessentwegen gebohren / damit es dienen sol. Wenn ein solcher Bube sechs Pfennige mehr im Sacke hat / als er verzehren kan / so wird er hoffärtig.

DONATO. Und wenn ein armer Mann sechs Pfennige des Tages weniger hat / als er verzehren soll / so wird er ungeduldig / biß die Ungedult zu einer Raserey hinaus schläget.

FERRANTE. Gegen rasende Leute gebraucht man sich der Schärffe: Ob Neapolis hundert tausend Köpffe weniger hat / so wird dem Königreiche gar wenig abgehen.

DONATO. So wollen wir diese hundert tausend Personen ohne Zoll passiren lassen / und damit würde dem Königreiche gleichfals nichts abgehen.

FERRANTE. Der Herr Secretarius schertzet mit einer Sache / darin er die Raison besser verstehet.

DONATO. Aber wo sind die Soldaten / welche uns hundert tausend Köpffe liefern können?

FERRANTE. Das weiß auch der Herr Secretari besser als ich.

DONATO. Ich kenne den Staat von Neapolis wohl / man muß hazardiren. Aber es heist / wie bey dem Charten-Spiel / wagen gewint / wagen verspielt.

FERRANTE. Wir wollen diese Discurse fort setzen / wenn uns die Zeit bessre Ruhe vergönnen wird: Aber was fangen wir nun an / nach dem der Karn in den Morast geschoben ist?

ALLEGRO. Ich hätte nimmermehr gedacht / daß der Herr Secretarius so ein ehrlicher Mann wäre; aber nun seh ich wohl / wenn er seine Finantz mit eingezogen hat / so hat er gedacht / wie unser Hund / der brachte uns allemahl das Fleisch auff die Stube: Doch wie einmahl die andern Hunde[31] sich wolten zu Gaste bitten / und er mit seinen Widerstande zu schwach war / so denckt der Hund / eh ein ander Reckel das beste Stücke weg schnappen soll / so wil er das seinige auch dabey thun / und frist aus gantzen Leibes-Kräfften drauff loß. Und wie sprechen die Soldaten: es ist keine Sünde / das ich stehle / der Herr behält doch nichts davon: nehm ichs nicht, so nimts ein ander. Doch last hören wie sich unser Herr aus dem Hauffe finden wird; denn was die mit dem Degen verderben / das sollen die mit der Feder wieder gut machen.

DONATO. Wir müssens erwarten / was jhre Excellentz werden ausgewircket haben / denn das ist gewiß / der Zoll muß abgeschaffet werden.

FERRANTE. Dabey verderben die meisten Familien.

DONATO. So behaltet den Zoll / und last eure Häuser zustören.

FERRANTE. Es ist um die Königliche Majestät zuthun / welche darunter angegriffen wird.

DONATO. Ich betaure den Zustand der Könige / daß sie mehrentheils von dem Nutzen nicht viel zugeniessen haben / da sie doch bey der Gefahr allezeit das meiste tragen sollen.


Quelle:
Christian Weise: Masaniello. Stuttgart 1972, S. 29-32.
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