5. Der getreue Haus-Knecht

[30] 1.

Ich armer Haus-Knecht habe nun

Mein Aembtgen angenommen,

Nun muß ich helffen würthlich thun

Wenn frembde Gäste kommen,

Sonst werd ich wieder weggejagt

Von meiner lieben jungen Magd.


2.

Ich geh und lasse mich durch auß

Die Mühe nicht beschweren,

Vnd solt ich funffzehenmahl das Haus

In einem Tage kehren:

Denn wenn mich ja die Arbeit plagt,

So denck ich an die junge Magd.


3.

Die Köchin mag so offt sie will

Mich etwas anders heissen,

Die Frau die mag den Besen-Stiel

Mir umb die Ohren schmeissen;

Ich bleibe dennoch unverzagt

Bey meiner lieben jungen Magd.[30]


4.

Wenn sie mir an der Seiten steht

So hab ich schon gewonnen,

Vnd alle Traurigkeit vergeht

Wie Butter an der Sonnen,

Ich bin ihr Knecht der ihr behagt,

Sie meine liebe junge Magd.


5.

Wir stecken fast den gantzen Tag

Beysammen in der Küchen,

Vnd wann ich Possen treiben mag,

So ist sie auch vergliechen,

Doch ist kein Mensch der mich verklagt

Mit meiner lieben jungen Magd.


6.

Ich geh in Keller hole Bier,

Vnd wenn ich nunter schreite,

So kommt die Magd und giebet mir

Fein sauber das Geleite,

Doch niemand in dem Hause fragt,

Was machstu mit der jungen Magd?


7.

Der Boden und der Ober-Saal

Die stehn uns allzeit offen,

Da haben sie uns hundertmahl

Beysammen angetroffen,

Doch hat der Herr noch nie gesagt,

Geh pack dich von der jungen Magd.


8.

Ich wolt auch wohl kein Hauß-Knecht seyn,

Wann ich nit eben wüste

Daß ich das liebe Mägdelein

Sonst gar entrathen müste,

So bleib ich gleichwol ungeplagt

Bey meiner lieben jungen Magd.


9.

Die schönen Jungfern mögen nun

Auß meinem Hertzen weichen,

Dann wann ich ja wil freundlich thun

Geh ich zu meines gleichen.

Ich armer Haus-Knecht habs gewagt,

Und löffle mit der jungen Magd.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 30-31.
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