|
[35] 1.
Dorindgen darff ichs sagen,
Und darff ich ohne Scheu
Dich offentlich verklagen,
Mit deiner Zauberey?
Ach du verwandelst meinen Sinn,
Daß ich mir selbst nicht ähnlich bin.
2.
Sonst ist mein junges Hertze
Bey allen Mädgen kalt,
Und giebt der Liebes-Kertze
Gar schlechten Auffenthalt:
Doch du verwandelst meinen Sinn,
Daß ich bey dir verliebet bin.
3.
Verlier ich ja bey andern
Manchmahl ein gutes Wort,
So bin ich nun von Flandern,
Und geh bey zeiten fort:
Doch du verwandelst meinen Sinn
Daß ich bey dir beständig bin.
4.
Ich habe meine Brüder
Ohn allen Schein geliebt,
Sie haben mich auch wieder[35]
Mit Willen nicht betrübt:
Doch du verwandelst meinen Sinn,
Daß ich den Freunden untreu bin.
5.
Ich bin zur Lust gebohren
Die hängt mir allzeit an,
Und gibt mir nicht verlohren
So lang ich lispeln kan:
Doch du verwandelst meinen Sinn
Daß ich bißweilen traurig bin.
6.
Ich kan an andern Orten
Vortreflich lose seyn,
Vnd lasse mich mit Worten
In manche Kurtzweil ein:
Doch du verwandelst meinen Sinn
Daß ich gar eingezogen bin.
7.
Sonst gieng ich bald zu Bette
Wenn nun der Abend kam,
Vnd alles umb die Wette
Mit sich zur Ruhe nahm:
Doch du verwandelst meinen Sinn
Daß ich des Abends munter bin.
8.
Wie schlimm hast du gehandelt,
Ich kenne deine List,
Ich werde so verwandelt
Du bleibest wie du bist:
Ach Kind verwandle deinen Sinn,
Wie ich bey dir verwandelt bin.
Buchempfehlung
Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.
76 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro