[15] 1.
Auf die Melodey, Jungfer Ließgen weiß es wohl, etc.
Es steht in der Welt doch auß der massen fein,
Wann zwey junge Leute recht vertreulich seyn!
Sie sind drum nicht flugs verliebt,
Wann sie gleich von Hertzen
Freundlich können schertzen.
2.
Manchem Mädgen wird was böses zugedacht,
Wann sie etwan mit den Junggesellen lacht,
Doch darum kein Bein entzwey:
Wer fragt nach den Schwencken
Was die Leute dencken?
3.
Ein rechtschaffnes Büfgen das versteht doch wol,
Was es bey der Mädgen Freude dencken soll.
Wer nicht Schimpf und Ernst versteht,
Wird mit schlechtem Frommen
Von dem Mädgen kommen.
4.
Wann man gleich einander noch so freundlich heist,
Und wohl gar die Armen ineinander schleust;
Darff ein Büffgen gleichwohl nicht
Auff verliebte Sachen
Sich die Rechnung machen.
5.
Ach wie schlägelt mancher armer Spaß-Galan,
Der sich in die Freundligkeit nit finden kan,
Und der allen Zeitvertreib
Vor ein Liebes-Zeichen
Heimlich will vergleichen.
6.
Nein fürwar, beym Frauenzimmer gehts so nicht,
Wann das lose Mäulgen gleich mein Liebgen spricht,
Ist es drum nicht so gemeint,
Als müst er vor allen[15]
Ihr so wohl gefallen.
7.
Ich bin endlich allen feinen Mädgen gut,
Und bin gerne da man schön und freundlich thut;
Doch bild ich mir nichts ein.
Wann ich gleich die süsse
Gegengunst geniesse.
8.
Endlich, wer verschwiegen ist der geht noch hin,
Hat er sonsten gleich nicht einen hohen Sinn.
Stille, fromm, und lustig seyn
Kan die Junggesellen
Niemahls sehr verstellen.
9.
Ach wohl dem der in der Jugend lustig ist,
Eh er in dem Alter allen Spaß vergist!
Doch die Liebe brauche man
Nur zum blossen Possen,
Sonst ist man geschossen.
Buchempfehlung
Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.
98 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro