CAP. X.

[60] Nun war diese Compagnie niemahls müssig, sondern gebrauchten sich aller Zeitvertreibung, welche an selbigem Orte frembden Personen zugelassen war Sie unterliessen auch nicht alle närrische Actiones wohl zu observiren, doch würde der geneigte Leser mit unserer Weitläufftigkeit nicht zufrieden seyn, wenn wir alle minutias allhier hätten einmischen wollen. Dannenhero wir[60] auch verhoffen entschuldiget zu seyn, wofern wir das jenige nur kürtzlich erwehnen, welches unserm Bedüncken nach, das merckwürdigste seyn wird. Und daher wird die obgedachte Jungfer Zusammenkunfft nothwendig müssen berühret werden, wenn wir nur nur etlicher Händel, so vorhergangen, werden gedacht haben. Einmahl traff Gelanor in der Kirche einen alten Bekandten an, mit welchem er vor diesem auf Universitäten gantz vertraulich gelebt hatte. Von diesem ließ er sich in ein ander Wirths-haus nöthigen, da er auch seinen Florindo Ehrenhalben mit nehmen muste. Sie satzten sich, und liessen sich die Mahlzeit wohlbekommen. Unter andern war ein Kerle bey Tische, der noch einen Fuchspeltz von Winters her am Leibe hatte, und meinten die andern alle, er möchte gern ein Sommerkleid angezogen haben, wenn es eines gehabt hätte. Nun wolten die andern Wein trincken, und weil der Wirth keinen selbst im Keller hatte, legten die Gäste zusammen und liessen hohlen. Als aber die Reih an den frostigen Peltz-Stutzer kam, gab er vor, es wäre ihm von den Medicis verboten, Wein zu trincken, doch damit sie nit meinten als wolte er sich der Compagnie entbrechen, so wolte er gern sein Contingens mit beytragen, sie möchten es in Gottes-Namen außtrincken, damit warff er ein Goldstück von zehen bis zwölff Thalern auf den Tisch, und begehrte man solte ihm herauß geben, aber die andern merckten bald, wie viel es bey dem guten Menschen geschlagen, daß er leicht schliessen kunte, niemand würde so unhöfflich seyn, und irgend eines Ortsthalers wegen, das schöne Stücke zu wechseln begehren: drumb sagten sie, ein iedweder bezahle was er trincket, beliebt einem nicht mit zutrincken, so wäre es auch nicht von nöthen, Geld zugeben, sie hätten schon so viel bey sich, daß sie die Unkosten tragen könten. Damit grieff der Stutzer gar willig zu, und steckte den Goldfünckler wider in seine Tasche, daß er dadurch ins künfftige noch etliche mal möchte vom Geldgeben erlöset werden. Der Wein ward in dessen gebracht, sie truncken herumb; doch wolte der im Winterkleide nicht Bescheid thun, sondern nachdem er sich etliche mahl bedancket, gieng er davon. Gelanor fragte[61] den Wirth, wer dieß gewesen wäre, der gab ihm diesen Bericht, es wäre ein reicher Kerle, der von seinem Vater mehr als 30000. Reichs-Thaler geerbet: Allein er wäre so karg und knickerhafftich, daß er sich eher ein Haar auß dem Barte, als einen Zweyer auß dem Beutel vexieren liesse. Der Peltz were in der Erbschafft mit gewesen, diesen trüge er nur, daß er kein Geld an ein Sommer-Kleid wenden dürffte. Ja er würde nimmermehr so viel auf seinen Leib spendieren, daß er die Mahlzeit im Wirthshause esse. So habe er eine Schuld auf dem Hause stehen, die also veraccordiret worden, daß er sie abfressen müste: doch sey er so genau, daß, wenn er einen andern haben könne, der ihm 4. Groschen gäbe, er indessen zu Hause vor einen Pfenning Brot in Bier brockte, und das Essen darbte. Es käme offt, daß, wenn er Hoffnung hätte, die Fresserey zu verhandeln, er die Mahlzeit zuvor etliche Stücke Brod einsteckte, daß er das Brod zum einbrocken nicht bezahlen dürffte. Den vergangenen Winter habe er sein Holtz verkaufft, und sey biß gegen Mittag im Bette gelegen; hernach habe er den Tag in fremden Stuben zugebracht. Man könte auch seiner nicht loß werden, als biß man Geld herumb geben wolle, da liesse er sein Goldstück sehen, und wenn niemand wieder zu geben hätte, so suchte er Gelegenheit wegzugehen. Er habe nicht weit auf dem Lande eine Schwester, die schickte ihm bißweilen etwas von kalter Küche: aber er böte solches entweder der Trödel-Frauen an, daß sie es umb ein lumpen Geld verschleppen müste: oder er ässe so sparsam, daß gemeiniglich das meiste verdürbe. Da sagte einer, es wäre noch Wunder, daß er eine Bier-Merthe machen liesse. Ach sagte der Wirth, es ist auch eine Merthe, darauff ich seyn Gast nicht seyn will. Er hat Bier zu brauen: Nun will er mit allen auf das theuerste hinauß, und gleichwohl läst er es an Hopffen und Maltz allenthalben fehlen, ja er geust den Kofent mit in die Bier-Fässer. Da kan es nicht anders kommen, das elende Gesöffe muß ihm über dem Halse bleiben. Und also kömmt das saure Bier an ihn, da wirfft er ein bißgen Saltz hinein, krumelt Brod darzu, daß man die Seure[62] nicht so hauptsächlich schmecket: Neulich begieng er ein hauswirthisch Stücke, sagte der Wirth ferner, da kam ihn eine Lust Wein zu trincken an, doch war ihm das Geld zu lieb. Drum borgte er bey mir ein Wein-Faß darauf noch etliche Hefen waren, die ich sonst weggegossen hätte. Darzu goß er Wasser, rührete es weidlich unter einander, gab ihm darnach mit einem Nössel Brandtewein den Einschlag, welchen die Trödel-Frau an statt baaren Geldes gebracht hatte. Daraus ward ein Tranck, er roch nicht wie Wein, er sahe nicht wie Wein, er schmackte nicht wie Wein, er wärmte nicht wie Wein, und war doch Wein. Florindo, dem das Maul allezeit nach der Liebsten wässerte, fragte, warum sich der wunderliche Kummpe nicht verheyrathet hätte, so könte er offt ein gutes bißgen zurichten lassen, und dürffte dem Wirthe nit gleich vier Groschen davor bezahlen. Ja wohl, gab der Wirth zur Antwort, hätte er die Courage, er will immer verhungern, weil er allein ist, was würde er thun, wenn er heyrathen solte? Hencken könte er sich nicht, denn die zween Pfennige thauerten ihn, davor er den Strick kauffen müste. Vielleicht hungerte er sich selbst zu Tode. Gelanor fragte, womit er denn die Zeit passirte? Mit Sorgen, sagte der Wirth, denn es ist ihm alle Stunden leid, sein Geld möchte gestolen werden, oder die Capitalia möchten caduc werden, oder es möchte sonst ein Unglück kommen, das er nicht zurücke treiben könte. Er behält zwar nicht über dreissig Thaler im Hause, es muß verliehen werden und Nutzen bringen, doch hat er fast nichts zu thun, als daß er Geld zehlt, da hat er sich an einem Dreyheller, dort an einem Vierpfenniger verrechnet, und wann man ihn umb einen Spatziergang anspricht, so ist kein Mensch auf der Welt der mehr zuthun hat. Das ärgste ist, daß er keinen rechtschaffenen Menschen zu Rathe zeucht, wenn er was vornimt: sondern da sind lauter Trödelhuren und Wettermacherin, denen er seine Wohlfahrt anvertraut. Ach du Ertznarr, ruffte Gelanor überlaut, hab ich doch deines gleichen noch nie angetroffen. Gott hat die Mittel bescheret, dadurch du dein Leben mit höchster reputation führen köntest; und gleichwohl bistu[63] nicht wehrt, daß du einen Heller davon geniessen solst. O wer ist ärmer als du? Ein Bettelmann darff leicht etliche Pfennige zusammen raspeln, so stelt er einen Schmauß an, darzu er den folgenden Tag noch vier Heller betteln muß: du aber sitzt bey deinem Reichthum mit gebundenen Händen, und führst ein Leben, dergleichen sich kein Vieh wünschen soll. Du bist nicht Herr über das Geld: das Geld ist Herr über dich. Bedencke doch, was Geld ist. Es ist ja nichts anders, als ein Mittel, dadurch man alle andere Sachen an sich bringen kan. Vor sich selbst ist es ein gläntzend Metall, das so viel hilfft, als ein bißgen Glaß, oder ein zerbrochener Kieselstein. Wäre der Schmiedt nicht ein Narr, der nicht arbeiten wolte, auß Ursachen, er möchte den Hammer verderben? Oder solte man den Müller nicht in die Lache werffen, der die Räder nicht lauffen liesse, auß Beysorge es möchte zu viel Wasser darneben weg fliessen. Warumb setzt man denn solchen Geld Narren keine Esels-Ohren auf, der elende Schöpsbraten möchte alle Jahr 500. Thaler verzehren, ich wolte ihm gut davor seyn, ehe sechtzig Jahr ins Land kämen, würde er kein Geld bedürffen. So nimt er noch die jährlichen Renten darzu ein, und schlägt sie lieber zum Capital, als daß er seine Lust davon hätte. Nun freuet euch ihr zukünftigen Erben, die Lust soll bey euch zusammen kommen; ihr sollet die Heller wieder unter die Leute bringen; ihr sollet wissen, wohin das Geld gehört; ihr sollet die Gastwirth, und Weinschencken besser erfreuen.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 60-64.
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