CAP. XVII.

[91] Den folgenden Tag brachten sie noch zu, in Besichtigung der Raritäten, und Besuchung vornehmer Leute, alß daß nichts sonderliches vorlieff. Darauff nahmen sie bey guter Zeit Abschied und fuhren davon. Etliche Tage hernach fütterten sie Mittags in einem kleinen Städtgen, da gleich Jahr-Marckt gehalten ward. Da hatte Florindo seine sonderliche Lust an einem Qvacksalber, der seine Bude dem Gast-Hofe gegenüber auffgeschlagen hatte. Secht ihr Herren, sagte er, am Anfang schuff Gott Himmel und Erde, am letzte Tage hat er auch den Mensche erschaffe. Darumb schreibe alle Gelährte davon, daß das Mensche Schmaltz alle andere Schmältze über trifft, wie das Gold das Kupffer. Wenn ich nun mein Salb mach, so nimm ich erstlich darzu Mensche Schmaltz. Darnach nimm ich Wachs, Wachs sag ich ist in einer Apotecke von nöthen, denn in einer Apotecke sind vier Seule, ohne welche vier Seule keine Apotecke über Jahr gantz bleiben kan, und wenn sie des Römischen Käsers Apotecke wär. Die erste Seule ist Wachs, die andere Honig, die dritte Zucker, und die vierte Waß i nit. Weiter nim ich dazu das Johannis Oel, das fleust im Lande Thucia auß die harte Steinfelse, auß die wunderbahre Schickung GOttese. Mehr brauche ich das Oleum Poppolium, Schmaltz von einer wilden Katze, die schläfft auff dem Schweitzer Gebürge von Sanct-Gallen biß Sanct-Görgen Tag, und wird im Schlaffe so faist, daß, wer es nicht gesehen hat, meynen solte, es wär erlogen. Summirum Summarum, ich nimm darzu die Kräuter Herba, die wachsen in dem Land Regio, auf dem Berge Mons, an dem Wasser Aqua, in dem Monat Mensis genannt, darauß wird mein Salb, und i will kain ehrlicher Mann syn, wo iemand im Römische Reiche[91] solch Salb hat. Kommt her ihr Herre, käfft in der Zeit, so habt ihr in der Noth. Der gleichen lahme Fratzen brachte er vor, und erzehlte etliche wunderliche und ungläubliche Exempel von seinen Curen. Nichts desto weniger hatten sich viel Leute umb ihn gesamlet und kaufften ihn fast mit seinem Krame gantz auß, denn die Salbe halff inwendig und außwendig vor alles. Uber diß kamen viel Patienten, und consulirten diesen Herrn Doctor. Einer beschwerete sich, er dürffte auf den Abend kaum zwölff Kannen Bier, und irgend ein halb Nössel Brandtewein trincken, so fühlte ers den folgenden Tag immer im Kopffe. Ein anderer klagte, sein Pferd wäre ihm gestohlen worden, ob er keine Artzney hätte, daß er es wieder kriegte. Der dritte gab vor seine Ellebogen wären so spitzig, er dürffte kein Wammes vier Wochen anziehen, so wären die Ermel durch gebohrt. Der 4. kunte kein Geld im Hause sehn, drum wolte er sich den Staar stechen lassen, daß er Geld zu sehen kriegte. Der fünffte war ein Schulmeister, der hätte gern eine helle liebliche Stimme gehabt. Der Sechste war ein Bote, der klagte er lieffe sich stracks über einer Meile den Wolff. Der Siebende hatte ein Hünerauge in der Nase. Der Achte klagte er dürffte nicht vor neun Pfennige Kirschen essen, so legen ihm die Kerne im Magen, als wolten sie ihm das Hertz abdrücken. Der Neundte war schon dreyssig Jahr alt und hatte noch keinen Bart. Der zehende wolte der Spulwürmer gerne loß seyn. Die andern suchten was anders. Und da hatte der gute Meister ein trefflich Compendium curandi, daß seine Salbe sich eben zu allen Beschwerungen schickte. Florindo lachte wohl darüber, und hätte gern gesehen, daß Gelanor mit gelacht hätte. Doch sagte dieser, man dürffte sich über den Quacksalber nicht zu tode wundern, hätte doch ein iedweder fast das principium, MUNDUS VULT DECIPI, in seinen actionibus gleichsam forn angeschrieben. Vnd wer von der Politischen Quacksalberey reden solte, da man offt quid pro quo nehmen müste, der würde vielleicht grössern Betrug antreffen, als in dieser elenden Bude, da nichts als einfältige Bauren zu sammen kämen. Florindo fragte,[92] ob die Politici auch mit Salben handelten? Ja wohl, sagte der Hoffmeister, sind Salbenbüchsen genug, damit den Leuten die Augen verkleistert werden, aber es ist nicht von nöthen, daß man solches allen Leuten weiß macht. Florindo ward begierig die sonderlichen Sachen zu erfahren, und hielt inständig an, Gelanor möchte doch etwas deutlicher reden. Da sagte dieser, habt ihr nicht das Buch gesehen, da forn auf dem Titel steht, der Politische Quacksalber? seht dasselbe durch, so wird euch die Thüre zum Verständniß schon geöffnet werden. Mehr sagte er nicht, denn es ist vergebene Arbeit, daß man jungen unverständigen Leuten viel von Politischen Staatshändeln auffbriefen will, weil sie doch mit ihrem einfältigen Verstande so weit nit langen, und alle dergleichen actiones vielmehr ansehen, wie die Kuh das neue Thor. Und fürwar hierinn erwieß Gelanor eine ungemeine Klugheit, die man vielen grossen und hochtrabenden Leuten vergebens wünschen muß.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 91-93.
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