CAP. XVIII.

[93] Florindo hätte sich so kurtz nicht abweisen lassen: Allein der Wirth kam und wolte seinen Gästen Gesellschafft leisten. Da legte sich Gelan. mit ihm ins Fenster und schwatzte bald dieß, bald jenes mit ihm. Endlich giengen zween Männer vorbey. Einer hatte ein grau Röckgen an, und wäre leicht vor einem Bauer mit hingelauffen, wenn er nicht ein Hälsgen umbgehabt. Der andre hatte eine Kappe an, der zehende hätte geschworen, es wäre ein Sammeter Peltz gewesen, und nun hätte sie der Schneider wenden müssen: Darüber hieng ein beschäbter Mantel mit einem geblümeten Sammet-Kragen, den vielleicht der alte Cantzler Brück bey Ubergebung der Augspurgischen Confession mochte zum erstenmahl umbgehabt haben. Gelanor wolte wissen, was dieses vor ein par nobile fratrum wäre. Darauff sagte der Wirth, es wären zwey Brüder, die zwar gute Mittel gehabt, ietzt aber in euserster Armuth lebten. Der graurock habe das seinige alles auf Processe spendiret: denn da habe er[93] keine Schuld gestanden, biß er judicialiter darzu condemnirt worden. Und da habe er dem Gegentheil die Unkosten erstatten, auch offt wegen vergossener losen Worte hauptsächlich in die Büchse blasen müssen, dadurch sey er von den schönsten Mitteln so elend herunter kommen. Der andere Bruder habe Anfangs Theologiam studiert, hernachmahls habe er sich in die Alchimisterey verliebt, dabey er so viel Gold gemacht, daß er ietzund in seinem gantzen Vermögen nicht eines Ducatens mächtig sey. Gelanor sagte, so büssen die guten Brüder woll vor ihre Narrheit. Wer hats den ersten geheissen, daß er die Richter-Stube ohne Noth beschweret hat. Ach wer bey den Juristen in die Information, und bey den Apoteckern zu Tische geht, dem kömmt es ein Jahr über sehr hoch. Der andere hätte seine Postille davor reiten mögen, so hat ihn der Hencker geritten, daß er gemeynt hat, ein Hirsch im Walde, sey besser als der Hase in der Küche. Solche thumme Geldverderber sind nicht werth, daß man sie klagt. Der Wirth gab hierauff sein Bedencken darzu, es wäre nicht ohne, die guten Leute hätten ihre Sachen besser können wahrnehmen, als daß sie nun in diesem Lumpen-Städtgen nicht viel herrlicher, als die Bauren leben müsten. Doch aber bildete er sich gäntzlich ein, es sey GOttes Straffe, die selten das unrecht erworbene Gut an den dritten Erben kommen lasse. Ihr Vater habe ehrliche Mittel hinterlassen, aber auf unehrliche Manier erworben. Ach sagte er, da ist wohl kein Groschen im Kasten gewesen, da nicht etliche Seufftzer von armen Leuten daran geklebet. So viel Steine hat er in seinen Häusern nicht zusammen bracht, als er heisse Thränen von Wittwen und Wäysen außgeprest hat. Sein Reichthum war anderer Leute Armuth. Er selbst war nicht viel anders, als eine gemeine Plage. Geld war die Losung, damit mochte GOtt und Himmel bleiben, wo sie kunten; Endlich fuhr er dahin wie eine Bestie. Ins Gemein gab man vor, er wäre an einem Schlagflusse gestorben: Doch waren viel vornehme Leute, die munckelten, als hätte er sich selbst gehenckt, und wäre darnach von den Seinen loß geschnitten worten, so wohl die[94] Schande als des Scharffrichters Unkosten zu vermeiden. Es war viel Pralens von der grossen Erbschafft, doch nun haben die Adlers-Federn alles verzehret, daß sie nicht mehr ein tüchtig Federbette auffweisen können. Gelanor stimmte mit dem Wirthe ein, und setzte den Discurs fort. Ich glaube es wohl, sagte er, daß Gott dieß Zorn-Exempel nicht vergebens vorgestellet hat. Dieß ist nur zu beklagen, daß niemand gebessert wird. Es bezeugets die tägliche Erfahrung mehr, als zu viel, daß unrecht Gut nicht auf den dritten Erben kömmt. Ein jedweder, der in seinem Ampte sitzet, hat entweder seiner Antecessorum oder anderer dergleichen Kinder vor sich, daran er so wohl den Segen, als den Unsegen seinen Kindern gleichsam als ein gewisses Nativität prognosticiren kan. Ist das nun nicht Thorheit? Sie scharren viel zusammen: zu Essen, Trincken und Kleidern brauchen sie nicht alles, den Kindern wollen sie es verlassen, doch wo sie nicht gantz blind seyn, so wissen sie, daß es nicht wudelt, ja daß die Kinder an ihrem andern Glücke dadurch gehindert werden. Wir lachen die Affen auß, daß sie ihre Jungen auß Liebe zu tode drücken. Aber ist dergleichen Vorsorge, dadurch manches umb seine zeitliche und ewige Wohlfahrt gebracht wird, nicht eben so thöricht? die Griechen satzten die Kinder weg, welche sie nicht ernehren kunten. Die Leute kehren es umb, und setzen die Kinder weg, welche sie auffs beste ernehren wollen. Das ärgste ist, daß die Eltern selbst ihre eigene Wohlfahrt dabey in die Schantze schlagen. Und also kommen sie mir vor wie die Schlangen, von welchen Plinius fabulirt, daß sie über der Geburt ihrer jungen nothwendig sterben müssen. Nun mit einem Worte, das heist auß Liebe in die Hölle gefahren. Als sie noch redeten brachten die Bauren einen Spitzbuben vor sich her gejagt, der hatte einer Frauen Geld auß dem Schiebsacke entführen wollen, war aber auß Unvorsichtigkeit in den Schiebsack darneben kommen. Nun warff er die Beine hurtig nach einander auf, und fragte nicht viel darnach, ob sie gleich mit Erdklössern hinden drein spieleten. Doch währete die Geschwindigkeit nicht lange, denn ein Baur warff ihm[95] einen Knittel unter die Beine, daß er nothwendig fallen muste. Da gieng nun das Ballspiel an, und muste Gelanor gestehen, er hätte nicht geglaubet, daß ein Bauer so justement auf eine Stäte schmeissen könte, als nach dem er so eine vollkommene Probe mit angesehen. Es hätte auch leicht geschehen können, daß der gute Kerl wäre um sein Leben kommen. Wenn nicht der Mann, der in dem Städgen, Häscher, Thürknecht, Stundenrüffer, Marckmeister, Gerichtsfron, Blutschreyer, Stockmeister und alles war, ihn auß dem Gedränge heraußgerissen, und mit sich in das Wirthshaus zur Apfelkammer geführet hätte. Gelanor sagte hierauff, er hätte nur gemeint, es wären solche Schnaphäne in grossen Städten anzutreffen. Da habe er sich offt verwundert, warum ein Mensche seinem eigenem Glücke so feind sey, daß er sich dem Beutelschneider-Leben so unbesonnen ergeben könne. Bey einem Herrn wolle mancher nicht ein loses Wort einfressen, da er doch alle Beförderung von ihm zu gewarten hätte; hingegen liesse er sich hernach die Bauern lahm und ungesund prügeln, und müste wohl darzu gewärtig seyn, daß er mit einem gnädigen Staupbesen zum überfluß bedacht würde: Der Wirth kehrte sich weg, und stellte sich als wäre im Hause etwas zu befehlen, denn er hatte auch einen Vetter, der zu Hamburg auf dem Kack etliche Ballette getantzt hatte.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 93-96.
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