CAP. XX.

[103] Weiter begegnete der Compagnie nichts sonderliches, biß sie fortreiseten, da kam ein alter Mann mit in die Gesellschafft, nebenst einem jungen Menschen von fünff biß sechs und zwantzig Jahren. Nun wusten sie nicht, was sie von diesem jungen Kerl gedencken solten. Denn bißweilen sprang er vom Wagen, und gieng ein wenig: Bald spitzte er das Maul, und pfiffe eine Sarabande daher, als trotz ein Canarien-Vogel: Bald nahm er den Kamm auß der Tasche, und kämte sich: bald fieng er an zu singen, tira tira tira, Soldat tira, bald fistulirte er wie ein Capaun, Aymable bergere quand tromperons nous, la garde sefere d'un mary jaloux. Sil n'est pas honeste il est du devoir, de luy mettre au teste ce q'il croit avoir; bald zog er einen Puffer auß der Ficke, und künstelte dran: bald knüpffte er die Ermelbänder anders: bald war ihm die Schleiffe auf gefahren, damit er die Haare biß an die Ohren auffgebunden hatte; Bald nahm er den Hut, und drehte ihn auf dem Finger etliche mahl herumb. Als sie ins Wirths-Haus kamen, und die andern ihre Messer und Gabel außzogen, grieff dieser mit allen Fünffen in den Salat, und machte sonst abscheuliche Gauckelpossen. Endlich tadelte er das Brod, es wäre nicht recht außgebacken, in Franckreich könte man schön Brod backen: da sagte der Alte: Ach du elender Teufel, das Brod ist länger im Backofen gewesen, als du in Franckreich. Da merckten die anderen, daß der Kerl ein gereister Monsieur wär, und daß er eben deßwegen so liederlich gethan, daß man ihm die Frantzösische Reise ansehen solte. Darneben observirten sie, daß der gute Mensch vielleicht auf der Post durch Pariß möchte geritten seyn, wie jener, der beklagte sich, es hülffe ihm nichts, daß er auf Pariß gezogen wäre,[103] denn es wäre zu seiner Zeit so finster drinn gewesen, daß man kein Hauß von dem andern unterscheiden können. Und als man nachfragte, war der Postilion gleich in der Mitternacht mit ihm durch passirt, als der Mond im letzten Viertel gewesen. Doch war keiner, der ihn in seinen Gedancken besser entschuldigte, als Gelanor: denn er hatte raison liederlich zu thun. Ein ander, der sich etliche Jahr in fremden Ländern versucht hat, kan durch seine Actiones leicht darthun, daß er kein Hauß-Veix sey: Aber so ein Mensch, mit dem es etwas geschwinde zugegangen, möchte sich leicht unter den Aepffelbratern verliehren, wenn er nicht alle Leute mit gantzer Gewalt bereden solte, wo er gewesen wäre. Nach der Mahlzeit gerieth Gelanor, mit dem Alten in Discurs, und befand, daß es kein unebener Mann war; dieser beklagte sich nun über diesen jungen Frantzosen, man könne ihn zu nichts bringen, daß er mit Lust thäte, und darbey er beständig bliebe: alle Tage wolle er etwas anders werden, bald ein Gelehrter, bald ein Kauffmann, bald ein Soldat, bald ein Hoffman; und solche Abwechselung hab er nun biß in daß fünff und zwantzigste Jahr getrieben. Neulich sey er gleichsam verschwunden, daß kein Mensch gewust, wo er blieben. Endlich in acht Wochen hab er sich wieder præsentirt, in dieser Frantzösischen Gestalt, als wie mann ihn noch sehen könte. Nun wolle er an einem vornehmen Orte Hoffmeister werden, aber die Lust würde auch nicht lang währen. Eurylas sagte: der wunderliche Kautz habe wohl verdienet, daß man ihn etwas vexirte, der Alte war es wohl zu frieden. Derhalben, als sie wieder zusammen in die Kutsche sassen, fiengen sie darvon an zu reden, wie das dieser Sausewind in keiner Sache beständig wäre, als in seiner Unbeständigkeit. Er entschuldigte sich, und wuste seine Ursachen recht vernünfftig und nachdencklich anzuführen. Denn als Eurylas fragte, warumb er sein Studieren nicht fortgesetzt, so erzehlte er seinen gantzen Lebenslauff. Ich solte, sagte er, freylich studieren, und einen Juristen abgeben, aber ich bedachte dieß, wie leicht könte ich eine Sache wider einen Edelmann gewinnen, der mirs nachtrüge, und[104] mir wohl gar einen Fang mit dem kalten Eisen gäbe: Oder wenn ich im Winter einen Termin hätte, und stolperte mein Pferd auf dem Eise, daß mir das Bein im Stieffel zerbräche, und niemand wäre bey mir, müste ich nicht als ein Hund verderben? Oder wenn ich von meinen Clienten tractirt würde, daß ich in der Nacht reisen müste, und führte mich ein Irrwisch in das Wasser; Nein, nein, ich möchte nicht. Die Kauffmannschafft beliebte mir, aber in wenig Wochen fiel mir ein, sieh da, wenn du einem Kauffmann in einer andern Stadt vor 10000. Rthl. Wahren creditirst, und es käme ein Erdbeben, daß die Stadt mit allen Leuten untergienge, wo kriegest du deine Bezahlung? Oder wenn du kein Gewölbe zu mieten kriegst, wo wolstu deine Wahren außlegen? Oder wenn du einen Pack von inficirten Orten her bekämest, daß du möchtest des Todes über dem Außpacken seyn. Nein, nein, unverworren mit so einer gefährlichen Profession. Drauff wolte ich die Haushaltung vor die Hand nehmen, daß ich mit der Zeit ein Adeliches Guth hätte pachten können; Aber ich bedachte mich, wie leicht wäre es geschehen, daß deine Frau mit Butter und Käsen zu thun hätte, und gebe das Kind einem Bauermädgen zu warten, das thumme Rabenaaß trüge es im Hoffe herum, und käme gleich der Klapperstorch, und wolte sich auf dem Schorstein ein Nest zu rechte bauen, der schmieß einen Stein auf die Dachziegel, das ein halb Schock herunter flögen, wer hätte nun das Hertzeleid, wenn dem Kinde die Hirnschale enzwey geschmissen wäre, als eben ich? Oder wenn der unachtsame Aschenbrödel das Kind an die Thür legte, und kämen die Schweine und frässen ihm, mit züchten zu melden, wer weiß was vom Leibe ab. Oder wenn im Winter ein Dieb in den Kühstall bräch, und zöge den Kühen Stieffel an, daß man die Spur nicht merckte. Ach nein, in solche Gefahr begehrte ich mich nicht zu stecken. Also dacht ich wieder an das Studieren, und wolte ein Medicus werden. Allein in vierzehen Tagen ward ich klüger. Wie leicht hätte mir eine Retorte können zu springen, daß mir die Scherben im Gesichte wären stecken blieben. Oder wie leicht könte[105] die Magd eine Katze in das Laboratorium lassen, die mir vor tausent Thaler Gläser auf einmahl umbwürffe. Oder wie leicht könte mich ein Bandit niedermachen, wenn ich wolte zu Padua Doctor werden? Damit änderte ich meinen Vorsatz, und hatte zum Bierbrauen Lust; Doch erwog ich dieses, wenn ich einmahl ein gantz Bier zu brauen hätte, und fiele unversehens ein Hund in den Bottich, so wäre das Bier zu meinem Schaden verdorben. Oder wenn meine Frau die Fässer ein wenig mit frischem Brunnwasser wolte füllen lassen, es hätte aber ein schabernäckischer Nachbar Heckerling in den Brunnen geschütt, daß also die Leute früh lauter Heckerling im Bier fünden, würde mir dieß nicht eine Ehre seyn?

Es wäre zu lang alles vorzubringen; dieß war der Inhalt seiner Rede, er hätte nach diesem bald ein Mahler, bald ein Priester, bald ein Goldschmied, bald ein Schreiber, bald ein Hoffmann, bald ein Dintenklecker werden wollen; doch sey er allzeit durch dergleichen Erhebligkeiten abgeschreckt worden. Eurylas fiel ihm in den Discurs, und sagte, warum bedenckt er denn nicht, was ihm bey seiner Hoffmeisterey möchte zu Handen stossen, weiß er nicht, daß die von Adel auf ihren Vorwergen Hoffmeister haben die nicht viel besser seyn, als ein Großknecht? Wenn nun sein Principal einmahl ruffte, komm her Hoffmeister, du etc. könte nicht leichtlich ein Mißverstand darauß erwachsen? Der Teutsche Frantzos besann sich etwas, doch fiel ihm endlich dieß expediens bey, er wolle sich à la francoise lassen Gouverneur heissen. Eurylas wandte ein, dieß wäre ein böß Zeichen, denn gleich wie ein Spanischer Gouverneur selten über 3. Jahr zu guberniren hätte, also möchte mancher urtheilen, er würde es nicht viel über drey Wochen bringen. Sein Rath wäre er fienge einen Gewandschnitt mit Tauben an. Denn wo ein Paar sechs Pfennige gülte, und er verkauffte tausend, so hätte er unfehlbar zwantzig Thaler und zwantzig Groschen. Der Alte lachte hierauff, und verwieß seinem Vetter, daß er nicht allein so liederlich lebte, sondern auch den Lebenslauff zu erzehlen keinen Scheu trüge. Das wäre die höchste Narrheit, daß man auf keiner Meynung[106] beständig bliebe, und habe Seneca wohl gesagt: Stultus quotidie incipit vivere. Uber dieß habe er sich dergleichen Ursachen abschrecken lassen, welche mehr zu verlachen, als zu bedencken wären. Denn auf solche Masse dürffte man nicht in der Welt bleiben, alldieweil man auf allen Seiten der Gefahr unterworffen sey. Ein andermahl solle er dencken, daß ein andächtiges Gebete, und ein gnädiger Gott, allen furchtsamen Sachen leicht abhelffen könne.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 103-107.
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