CAP. XLVII.

[215] Nun mangelte nichts, als daß Florindo zu seiner Liebsten reisen solte, doch Gelanor sagte, man müste zuvor einen vollkommenen Schluß machen, welches eben die drey grösten Narren gewesen, damit die Mahlerey im Schlosse könte ihren Fortgang haben. Und also setzten sie sich zusammen, und wusten viel von Narren zu reden: Gleichwohl befanden sie den Mangel, daß sie so eigentlich[215] nicht erwogen hatten, worine eben die Narrheit bestünde: Dannenhero man desto eigentlicher im urtheilen hätte können fortfahren. Nun Florindo war hitzig und sehnte sich nach Hause: Gelanor hingegen wolte zuvor den rechten Grund treffen, biß endlich diß conveniens vorgeschlagen wurde, Sigmund solte in ein Collegium Prudentium reisen, und sich daselbst in der gedachten zweiffelhafftigen Frage informiren lassen. Solches ward alsobald beliebt und satzte Gelanor folgende Urtheilsfrage auf:


Hochgelehrte etc.


Demnach in einer wichtigen Angelegenheit die Frage vorgestellet, worinne die Narrheit bestehe? und so fort, welches vor die höchste Thorheit zuschätzen sey? Und aber hierinn einiger Streit sich ereignet, dadurch man schwerlich zum Zwecke gelangen kan. Als ist das gute und zuversichtliche Vertrauen auff Dero Weltbekandte dexterität und Wissenschafft gesetzet worden, das jenige, was Sie in dieser Frage setzen und schliessen werden, vor gut und bekand anzunehmen. Gelanget derowegen an Dieselben unser Dienstfreundliches Ansinnen, sie wollen sich belieben lassen, der Sache nachzudencken, und gegen Danckgeziemende Vergeltung dero vielgültige Meynung schrifftlich zu eröffnen. Solches werden wir sämtlich als eine sonderbahre Wolthat erkennen, und mit anderweit bereiten Diensten schuldigst zu erwiedern befliessen seyn.

E. Hochgelahrt. Herrligk.

Dienstergebenste

Compagnie zu Suchstedt.


Hiermit reisete Sigmund ab, und versprach seinen Fleiß nicht zu sparen, daß er zum wenigsten, innerhalb acht biß zehen Wochen mit guter Verrichtung wieder zu kommen verhoffte, sie solten sich nur nit zu weit von dem Orte weg machen, daß er bey abgelegter expedition sie alsobald zur Hand hätte. Nun war dieselbe Gegend sehr lustig, daß man einen Früling daselbst wohl passiren kundte. Wie sie denn von einem Dorffe zu dem andern, von einem Flecken und Städgen zu dem andern zu reisen pflegten, und sich bald im Gebürge bald auff der Ebene eine neue Lustigkeit erweckten. Einsmahls kehrten[216] sie in ein Wirthshaus ein, da Gelanor oben auff dem Gange die Melancholischen Grillen vertreiben und außspatziren wolte, unterdessen hatten die Diener mit dem Mahler unten im Hofe ein Gespräch, warumb mit der Heim-Reise so lang verzogen würde. Einer meinte diß, der ander was anders. Endlich als der Mahler vorgab, es wäre umb die drey grösten Narren zu thun, da fieng ein Diener an: Das sind Händel, hätten sie mich gefraget, ich wolte ihnen längst auß dem Traume geholffen haben. Der Mahler wolte gern was neues hören, und bat den Diener, er möchte ihm doch die sonderlichen Sachen vertrauen, dieser wolte nicht mit herauß, endlich ließ er sich überbitten, und sagte, es sind drey grosse Narren in der Welt. Der Thürmer oder der Haußmann bläst den Tag ab, und er kömmt von sich selber. Der Stundenrüffer bläst in ein kalt Loch, und er könte wohl in ein warmes blasen. Hier ließ er sein Messer fallen, und stellte sich, als müste er es wieder auffheben und abputzen. Da fragte der Mahler unterschiedene mahl, wer ist denn der Dritte? wer ist denn der Dritte. Da fuhr der Diener herauß: Der ist der Dritte, der darnach fragt. Also war der Mahler gefangen, und hatte keinen andern Trost, als daß er dachte, es würde ihm wohl ein ander wieder kommen, den er betriegen könte. Doch muste er sich ziemlich außlachen lassen. Der andere Diener hatte bißher stille geschwiegen. Nun sagte er, sein voriger Herr habe diß Sprichwort an sich gehabt: Ein jeglicher Mensch ist ein Narr, aber der wird ins gemein davor gehalten, der es mercken läst. Ja sagte der Mahler, der es mercken läst, der ist gar ein kleiner: aber der sich vor klug hält, der ist viel grösser, und wer an den beyden seine Freude hat, der ist der allergröste. Der erste Diener sagte: Es kan seyn, daß alle Leute Narren sind, wie ich mich besinne, daß ein vornehmer Mann gedachte, er hätte in seinem Kopffe sechs Stühle und im Bauche sieben Haasen, wenn er einen Becher Wein trüncke, so stiege ein Haase hinauff und nehme einen Stuhl ein. Wenn er aber den siebenden Becher getruncken hätte, und der Letzte Haase keinen Sitz finden könte, so wolte er die andern herunter werffen,[217] biß endlich so ein Rumor entstünde, daß er selbst nicht wüste, wo ihm der Kopff stünde. Hier fragte einer den Mahler, wieviel er Haasen im Leibe hätte? es wäre umb einen Orthsgülden zu thun, so nehme ein Wurmschneider die Müh auff sich, und suchte nach. Sie lachten darüber, und nach vielfältigen Gespötte sagte ein Diener: Sie möchten doch fragen lassen, wer der Klügste wäre, so könte man die Narren leicht dargegen halten. Der andere gab zur Antwort: Die Frage wäre leicht auffzulösen, ist sie doch neulich an des Türckischen Käysers Hofe vorgegangen. Der Mahler hatte seiner vorigen Vexirerey schon vergessen, und fragte inständig, was neues vorgegangen wäre? Der Diener gab ihm diesen Bericht: Der Römische Käyser solte zu dem Türkischen Käyser etliche Abgesandten schicken, so begehrte der Türcke, er solte ihm die drey klügsten Leute auß seinem Lande schicken, sonst sey er nicht willens einen anzunehmen. Hierauff fertigte der Römische Käyser einen Münch, einen Soldaten und eine alte Frau ab. Denn er sagte: Der Münch ist klug, ehe er am Freytage hunger litte und hätte keinen Fisch, ehe wirfft er eine Bratwurst in das Wasser, und langte sie mit dem Fischhamen wieder herauß. Der Soldate ist klug, ehe er ungesaltzen Fleisch isset, ehe saltzet er mit Pulver und wirfft dem Feinde die Patron-Tasche ins Gesichte. Hier zog er sein Schnuptuch herauß, und verstreute etwas Geld, das suchte er langsam wieder zusammen. Unterdessen stund der Mahler in voller Curiosität, und fragte stets: Ey wie war es denn mit der alten Frau. Endlich stellte sich der Diener gar ungedultig, und sagte: Die solstu sonst wo lecken, daß sie wieder jung wird, damit war der Haase wieder gefangen, nach dem Sprichwort, die Haasen sind nirgend lieber, als wo sie gehetzet worden. Hierauff gieng Gelanor zur Mahlzeit, und fragte den Mahler, was er vor vertrauliche discurse mit dem Diener geführet. Dieser dachte er wolte einen von der Compagnie fangen, und erzehlte seine Klugheit von seinen drey Narren, nemlich von dem Thürmer und von dem Stundenrüffer, als er aber lauschte, ob niemand fragen wolte, sagte Eurylas: Und ich höre die[218] Mahler sind die Dritten, die mahlen die Narren in papiernen Krausen, und könten mit eben den Unkosten Daffente mahlen. Damit saß der Mahler wieder, also daß ihn Gelanor ermahnte, er wäre nun so weit gereißt, er solte doch klüger werden. Sonst gienge es ihm wie jenem Schweitzer, der fünf und zwantzig Jahr zu Pariß gedienet, und doch nicht Frantzösisch reden gelernet hatte. Und als er gefraget worden, warumb er so nachlässig gewesen, hatte er geantwortet: was könte man in so kurtzer Zeit lernen; Doch hätte es noch sollen ein halb Jahr währen, so hätte er die Sprache wollen weg haben. Eurylas sagte hierauff: Ach last ihn gehn, er ist klug genug, aber er schont die Klugheit, daß er sie spanfunckelneu mit nach Hause bringen kan. Florindo sagte: Was soll er sie schonen, schont er doch sein Geld nicht. Es ist ihm gangen wie jenem kleinstädtischen Bürgemeister, dem begegneten etliche im harten Winter, und sagten: Eure Weißheit ist treflich erfroren. Der Bürgemeister dachte, das wäre seyn Ehren-Titul, und gab zur Antwort: Ach ja, ich bin trefflich erfroren. Der Mahler konte nicht länger zuhören, und gieng zur Thür hinauß. Da sagte der Wirth, Ihr Herren, morgen ist der erste April, der Mensch solte sich der Jahr-Zeit zu Ehren brauchen lassen. Florindo stimmte bald mit ein, und bot sich an, er wolte ihn mit einem Korb voll Steine wohin schicken, doch Gelanor verwieß ihm solches. Denn, sagte er, das April-schicken ist darumb erdacht worden, daß man hat vorwitzige Leute wollen klug machen. So mißbrauchen es etliche Narren, die geben ihren Knechten und Mägden wunderliche commissiones auff, die sie nicht freywillig, sondern gezwungen verrichten müssen, der Kerl ist leichtgläubig gnung darzu, er wird bald ins Netz gehen. Man schwatze ihm nur was curieuses vor, ehe er davon bliebe, ehe lieffe er auff den Sturtzeln fort, wenn er keine Beine hätte. Hierauff geriethen sie auff unterschiedene April-Possen. Eurylas referirte dieses: An einem bekandten Orte war ein Kauffman, der hielt fleissige Correspondentz, und so bald er eine Zeitung im Briefe gesehn, lieff er nach Hofe, und wuste sich viel damit.[219] Am ersten April bekam er ein Schreiben; Umb Wittenberg stellten sich die Qvacker häuffig ein, und wäre allbereit der Oberste Knepner wider sie auß commandiret worden. Der laß die erschreckliche novelle nicht bedachtsam, sondern eilte brühheiß damit nach Hofe. Da merckten die Hoffleute, daß unter den Quackern die Frösche verstanden würden, weil der Klapperstorch an etlichen Orten Knepner hiesse, und muste sich der gute unzeitige Quacker wohl damit leiden. Gelanor erzehlte folgendes: Als ich zu Leyden in Holland studierte, berathschlagten unser etliche, wie wir einem stoltzen auffgeblasenen Kerl in unserer Compagnie möchten die Brille auffsetzen. Nun hatten wir geheime Nachricht, daß sein Vater, der bey einem Fürsten Ammtmann war, solte abgesetzet werden. Drumb kleideten wir einen unbekandten Mann vor einen Boten auß, der muste die Zeitung bringen, sein Vater wäre Hoff-Rath und über etliche Aempter Hauptmann worden. Auff diese Zeitung ward der gute Mensch so courage, daß er denselben Tag einen Schmauß spendirte, der ihn über sechzig Thaler zu stehen kam. Aber in wenig Tagen kriegte er sein miserere hinten nach, daß er das krauen im Nacken davon bekam. Der Wirth sagte: Ihr Herren, mir fällt ein possierlicher Handel ein. Es sind itzt gleich sechs Jahr, da hatte ich unterschiedene Gäste, denen erzehlte ich, wie damahls vor etlichen Jahren ein Reuter von der Brücke in das Wasser gefallen. Solches hörte ein Junger Außfliegling, und meynte nicht anders, als wäre es diesen Tag geschehen, lieff derowegen Spornstreichs nach dem Wasser zu, und fragte, wo der Kerl wäre, den man unter der Brücke gefunden hätte. Die Fischer hörten es bald, daß der junge Geelschnabel wolte vexiret seyn, und schickten ihn fast eine halbe Meile den Strohm hinauff. Als die andern fort wollen, wissen sie nicht, wo ihr Compagniönichen hinkommen, schicken auff allen Strassen nach ihm auß. Endlich kam er wieder und brauste vor Lauffen, als ein Hamster. Die andern scholten auff ihn loß: Doch kam er vor zu mir, und klagte, er hätte den ersoffenen Kerl nicht finden können. Und da kan ich nicht beschreiben, was vor ein Gelächter[220] bey den andern entstund, daß sich dieser wunderliche Mensch selbst zum April geschickt hatte. Andere erzehlten etwas anders. Den folgenden Tag, als sie zur Mahlzeit kamen, war der Mahler nicht da. Sie fragten nach ihme, doch es wolte ihn niemand in viel Stunden gesehen haben. Zuletzt sagte der Wirth, das ist ein lustiger April, darüber man das Essen versäumt. Erzehlte hierauff, er hätte ihn früh sehen im Hause stehen, da habe er der Wirth gleich iemand bey sich gehabt, zu dem er gesagt Sieht der Herr heute den Fürstlichen Einzug? Er wird sehr prächtig werden. Nun hielte er davor, er würde auff den Einzug warten, daß er ihn in Lebens-Grösse auff einen Teller abmahlen könne. Und hierinn hatte der Wirth nicht gefehlt, denn der Mahler hatte sich von einem Thore lassen zum andern schicken, biß er von einem ehrlichen Manne vernommen, was vor einem Heiligen zu Ehren dieser Einzug geschehen solle. Da schliech er nach Hause, und stellte sich gantz truncken, als wenn er an einem andern Orte so sehr gesoffen hätte. Doch die Sache war verrathen, und muste der arme Schächer wohl herhalten. Aber es schien als wär er in einem unglücklichen Monden, denn als sie in etlichen Tagen anderswohin reiseten, war in der Stube hinter dem Ofen ein Knecht mit der Magd angemahlt, die hatten alle beyde Narren-Schellen, und stund darüber geschrieben: Unser sind drey. Der gute Mahler, der allenthalben nach raren Inventionen trachtete, tratt davor, und spintesirte lang darüber, wo denn der dritte wär. Endlich gab ihm Eurylas den Bericht, der dritte ist der Narr, der sich neulich ließ zum April schicken, damit war er wieder klüger.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 215-221.
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