CAP. XLVI.

[213] Nach Ostern diengten sie einen Kutscher, der sie mit auf die Leipziger Messe nehmen solte, von dar sie in Holland und ferner in Engeland mit der Post reisen[213] könten. Und sie erfreueten sich, daß, nach dem sie in vielen Städten waren bekand worden, sie auch in Leipzig einig divertissement haben solten, angesehen diese Stadt ihnen sehr offt war gerühmet worden, sonder daß sie Gelegenheit gehabt, dieselbe in Augenschein zu nehmen. Sie hatten in dem verdeutschten Lucas de Linda gelesen, es wäre daselbst Frauenzimmer, das auch auß einem steinern Hertzen die Liebe erzwingen könte. Ja sie wusten sich zu besinnen, daß schon vor anderthalbhundert Jahren D. Ecken von D. Luthern vorgeworffen worden, wie daß er sich die venereas veneres daselbst auffhalten lassen: doch glaubten sie nicht, daß dieses der eintzige Ruhm sey, dadurch die hochlöbliche Stadt fast in der gantzen Welt bekand und beruffen wäre, sondern sie verhofften daselbst gleichsam in einem kurtzen begrieff anzutreffen, was sie anderswo zu einzelen Stücken gefunden und rühmlich observirt hatten. Die herrliche Universität, den wohlgefasten Rath, die hochansehnlichen Rechts Collegia, die nutzbare Kauffmannschafft, und was sonst an zierlichen und bequemen Wohnungen, an niedlicher Schnabelweyde, an köstlicher Music, und an anderer Lustigkeit mag gefunden werden. Doch in solcher Hoffnung wurden sie zwar nicht betrogen, wenn sie nur solche hätten fortsetzen können. Denn als sie auf Leipzig kamen, fügte sich das Glücke oder das Unglücke, daß sie gleich eine anständige Gelegenheit biß auf Amsterdam antraffen, mit welcher sie fortgiengen, mit vorbehalt, bey künfftiger Zeit die visite, welche sie dieser annehmlichen Stadt schultig geblieben, gebührend abzustatten. Also reiseten sie durch Holland, hielten sich zu Leyden, absonderlich aber in Haag eine ziemliche Zeit auf, giengen von dar auf Roterdam und ferner in Engeland, da sie die herrliche Stadt Londen, wie sie vor dem Brande außgesehen, unter der höchsten Gewalt des damahligen Königl. Protectoris mit verwunderung betrachteten. Sie wären gern tieffer in das Land hinein gangen, hätten auch gern eine tour biß Edenburg gethan, doch sie liessen sich berichten, wer Londen gesehen hätte, der hätte gantz Engeland gesehen. Drumb liessen sie es bey dem bewenden, und satzten sich[214] zu Doevers auf die Frantzösische Post, und fuhren über daß Canal biß Cales, da säumten sie sich nicht, und machten einen kleinen Umschweiff durch die Spanischen Niederlanden, biß sie auf Paris kamen, da hielten sie sich lang auff, biß sie auf Nantes zu giengen da sie Gelegenheit fanden in Spanien und Portugal zu reisen. Von Lisabon wandten sie sich gegen die Strasse, und giengen an den Spanischen und Frantzösischen Cüsten biß in Italien. Zu Venedig giengen sie über das Tyrolische Gebürge biß auf Wien, da wären sie gern in Pohlen gereiset. Doch der Krieg machte alles unsicher, daß also Gelanor wider seinen Willen den Florindo vertrösten muste, nun wolten sie wieder nach Hause.

Nun möchte aber einer fragen, ob sie denn in so weiten und grossen Ländern keine Narren observirt? doch es ist zu antworten, daß solches zwar mit eben so grossem Fleiß geschehen, als in Teutschland. Gleichwohl haben sie vor gut angesehen, einen iedweden in seiner eigenen Sprache zu beschreiben. Wie der Sigmund diese müh auf sich genommen und die Frantzösische, Spanische, Englische, Italiänische Reysebeschreibung fleissig in Ordnung zu bringen, und mit Kupfferstücken herauß zu geben versprochen hat. Ob es wird geschehen, das stehet bey der Zeit. Ohne Zweiffel wird er seinen Fleiß nicht sparen. Solte auch ein Liebhaber gefunden werden, der seine Curiosität nicht länger befriedigen könte, so ist es umb eine kleine Nachfrage zuthun. Massen die Compagnie so discret ist, daß sie einen iedweden mit richtiger Antwort versehen wird.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 213-215.
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