L.

[173] Ich vertieffe mich in einer Sache die nicht eigentlich hieher gehört:[173] drum ist es Zeit daß ich einlencke. Sonderlich weil mein Intent dem geneigten Leser also wird bekandt seyn / daß ich keine fernere Müh allhier bedürffen werde. Gestalt ich numehr in GOttes Nahmen mich zu diesem Abschieds-Liede beqvemen wil.


1.


Zu guter Nacht jhr süssen Schrifften /

Nehmt noch das letzte Denckmahl an;

Ich sol numehr was anders stifften /

Darbey ich nichts verseumen kan.

Und so verschwindet mir die Zeit /

Zu aller Lust und Eitelkeit.


2.


Ihr habet gnung von mir empfangen.

Wer immer schertzt / der thut zu viel.

Mein Früling ist hiermit vergangen /

Der Blühe-Monat hat sein Ziel.

Der späte Sommer kömt herein /

Und wil durch Früchte kundbar seyn.


3.


Bekümmert euch um andre Kielen /

Wo solche Bücher nöthig sind:

Und lasset eine Jugend spielen /

Die mich im schreiben überwindt.

Wer erstlich eine Bahne bricht /

Der scheut dem Uberwinder nicht.[174]


4.


Deswegen schreib ich gute Lehren /

Daß ich wil überwunden seyn.

Ein ander mag das Werck vermehren.

Ich gebe mich geduldig drein.

Ein Lehrer hat den Zweck erreicht.

Wen er noch beßre Schüler zeucht.


5.


Nur suchet Tugendhaffte Seelen

Die nicht auf Schimpf und Schande gehn.

Gleich wie die duncklen Laster Hölen /

Nicht an der hellen Sonne stehn;

So schickt sich auch der Bücher Licht /

Vor keine schnöde Spötter nicht.


6.


Wievol jhr möget euch versorgen /

Ich habe nichts darbey zu thun.

Dru sol die Feder niemand borgen /

Sie mag auff diesem Blate ruhn /

Das sich noch um ein Abschieds Lied /

Als um die letzte Lust bemüht.


7.


Wolan ich bin vom schreiben müde.

Mein Zeitvertreib zu guter Nacht.

Du hast vor meinen Sorgen Friede /

Wen auch mein Leben frölich lacht.

Doch habe nochmahls schönen Danck

Vor den genoßnen Liebes-Zwang.[175]

Quelle:
Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 173-176.
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