Zwey und zwantzigstes Exempel.

Ein regulirter Chorherr des heiligen Augustini streitet in dem Todbeth unermüdet wider die böse Geister, und erhaltet den Sieg wider sie.

[202] Im Jahr 1165. lebte zu Reichersperg, einem berühmten Closter der regulirten Chor-Herren des heiligen Augustini, im unteren Bayerland, ein Ordens-Geistlicher, Arnoldus mit Namen. Dieser erkranckte vor dem heiligen Christ-Tag an einem langsamen und auszehrenden Fieber. Man sahe bald, daß es ihn zum Grab beförderen wurde. Unterdessen so oft man ihn fragte: Wie er lebe? gabe er zur Antwort: GOtt Lob! gantz wohl. Ich bin zwar an Kräften erschöpft; jedoch empfinde ich weiters keine Schmertzen. Im übrigen, gleichwie er sich vorhin, da er noch gesund war, allzeit freundlich, sanftmüthig, und gedultig erwiesen, also thate ers auch in der Kranckheit. Batte mithin seine Mit-Chorherren, die ihn besuchten, sie wolten in dem heiligen Gebett sein Sterbstündlein ihnen brüderlich lassen anbefohlen seyn; dann an dem heiligen Liechtmeß-Tag nächst folgendes Jahrs werde er sterben. Wie er vorgesagt, also ist es auch geschehen. Als nun gedachter Tag anzubrechen begunte, sahe er eines Morgens in aller Frühe die böse Geister um das Beth herum stehen. Da fienge er dann an zu zitteren, zu schwitzen, und zu ruffen: Sehet sehet, liebe Herren Mit-Brüder! das Zimmer ist voller bösen Geister! O was seynd das für Abentheur! die Chorherren gaben ihm auf dieses Ruffen ein Crucifix in die Händ, darmit die böse Geister abzutreiben. Das küßte er dann mit grosser Andacht, druckte es hertzlich an die Brust, und hielte es hernach den bösen Geistern, als einen [202] unüberwindlichen Schild entgegen. Unterdessen knieten die Chorherren nicht ohne Forcht und Schrecken um des Krancken Beth herum, und ruften samt ihm den gecreutzigten Heyland um Hilf und Beystand an. Vornemlich aber begehrte der Krancke, sie solten öfters das heilige Vatter unser, wie auch den Apostolischen Glauben betten; dann diese seyen die stärckiste Waffen wider die böse Geister. So verlangte er auch, mit ihm die Mutter GOttes um ihren Beystand anzuruffen; dann diese werde nicht umsonst genennt: Das Heil der Krancken. Also nachdem er lang gebetten lage er da ganz abgemattet, von dem Streit wider die böse Geister, und halb tod. Nichts destoweniger, so schwach und matt er war, ließ er sich doch von ihnen nicht überwinden: sondern sagte bisweilen: Klagt mich an; klagt mich an, wann ihr könnt: ich hab mich schon längst in der Beicht selbst angeklagt. Mit welchen Worten er wolte zu verstehen geben, seine Sünden seyen ihm durch die Kraft des heiligen Sacraments der Beicht schon nachgelassen worden. Allein die böse Geister hörten darum nicht auf, ihne zu bestreiten. Er herentgegen gabe ihnen im geringsten nichts nach. Und obwohl er so schwach worden, daß er kaum mehr reden konte, versammlete er doch die noch übrige Kräften in so weit, daß er überlaut sagte: Packt euch fort, ihr Dieb; packt euch fort: ihr solt mich nicht überwinden. Wann ich GOtt auf meiner Seiten hab, wer wird mir etwas abgewinnen? wehrendem diesem Streit wider die böse Geister fienge es allgemach an, Tag zu werden. Da befahle er sich auf ein neues in den Schutz der Mutter GOttes, und sagte voll des Vertrauens: Ey! die Mutter der Barmhertzigkeit wird mir bey ihrem Sohn mit einem eintzigen Wort Gnad und Barmhertzigkeit erlangen. Also brachte er in hertzlicher Anrufung der Mutter GOttes den übrigen Tag zu, bis es Nacht worden, da er in etwas schlaffen, und von gehabtem Streit ausrasten können. Als es wiederum Tag worden, war alle Forcht von ihm verschwunden. Ja er sahe nicht nur frölich drein; sondern erhebte auch vor Freuden die rechte Hand in die Höhe, sagend aus dem 121. Psalmen: Ich hab mich erfreut in dem, was mir gesagt worden: wir werden eingehen in das Haus des Herrn. Auf dieses hin deutete er auf das Crucifix und sagte: Sehet! liebe Herren Mit-Brüder: dieser ist unser Heil: dann dieser hat uns durch sein Tod am Creutz erlößt. Bald rufte er auf: O Gehorsam! dardurch anzudeuten, wie getröst ein Ordens-Geistlicher sterbe, der sich bey Leb-Zeiten in der Tugend des heiligen Gehorsams geübt hat. Und nicht lang darnach: O was siehe ich für eine unaussprechliche Glory! wie eitel seynd alle zeitliche Ding! und wie ist alle Trübsal dieser Welt nur für einen Augenblick zu rechnen! und dannoch, wann wir sie mit Gedult übertragen, [203] O was für eine Glory würckt sie uns nicht in dem Himmel aus! darnach thate er, als wolte er auf den ausgestandenen Strudel ein wenig verschnauffen, und sagte: O! die Jungfräuliche Mutter GOttes hat mir bey ihrem Sohn Gnad erlangt. Auf dieses hin stunde es nicht lang an, da richtete er sich in dem Beth über sich, so viel ihm möglich war; streckte beyde Arm aus, und bemühete sich aufzustehen, nicht anderst, als wann ihn einer einladete, ihm nachzufolgen. Weil er sich aber an Kräften zu schwach befunden, sagte er: Ich kan nicht aufstehen; sonst wolte ich gern nachfolgen. Dieses geredt, sancke er wieder ins Beth hinein; redte forthin kein Wort mehr, und gabe über ein kurtzes den Geist in die Händ seines Schöpfers auf. Chronicon Reicherspergense ad Annum 1166.

Was für einen Gewalt laßt nicht GOtt zu Zeiten denen bösen Geistern auch über die Gerechte im Todbeth zu! das geschiehet aber, ihnen dardurch Gelegen heit zu geben, die Cron im Himmel zu vermehren. Sonst ist kein Gefahr, daß er demjenigen im Todbeth verlassen werde, der ihm bey Lebs-Zeiten treulich gedient hat. Vielmehr wird er wahr machen, was er dem Gerechten verspricht in dem 90ten Psalmen mit diesen Worten: Dieweil er auf mich gehoft hat, so will ich ihn erretten: ich will ihn beschirmen; weil er meinen Namen erkennt hat. Er wird zu mir ruffen, und ich will ihn erhören: ich bin mit ihm in der Trübsal; ich will ihn daraus erretten, und glorreich machen. Mit langem Leben will ich ihn erfüllen, und ihm mein Heil zeigen. O wie trostreich seynd diese Wort! und wie sollen sie dem Gerechten ein Antrieb seyn, beständig an GOtt zu hangen, und ihm treulich bis in Tod zu dienen!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 202-204.
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