Ein und viertzigstes Exempel.

Ein tapferer Kriegs-Held kommt durch wundersame, und traurige Begebenheiten um seine Frau Gemahlin, zwey Söhnlein, Bediente, und Kriegs-Leut; samt grossen Reichthum.

[258] Emanuel Sosa, ein tapferer, und erfahrener Kriegs-Held, hat zwar durch viel rühmliche Thaten, so er seinem König in Portugal, als Commendant über ein berühmten Meer-Hafen, und See-Stadt in Ost-Indien, treulich geleistet; hernach aber durch wundersame und traurige Begebenheiten seinen Namen der Nach-Welt zur Gedächtnuß hinterlassen. Als er auf dem Gipfel des Glückstands, worzu ihme sein eigene Tugend, und Tapferkeit den Weeg gebahnet, stunde, entschlosse er sich, dessen ruhig, und in seinem Vatterland zu geniessen. Stiege demnach im Jahr 1553. mit seiner hochedlen Gemahlin Eleonora, einer Tochter des Unter-Königs in Ost-Indien, zwey Söhnlein, Bedienten, Kriegs-Leuten, neben grossem Reithum, so er in Indien gesammlet, zu Schif, und liesse die Segel nach Portugall fliegen. Wind und Wetter waren ihnen Anfangs sehr [258] günstig; bis sie zu den äussersten Gräntzen des Welt-Theils Africä gelangt seynd. Allda schiene es unversehens, als wann Himmel und Erden wider sie zusammen geschworen hätten. Die West-Wind fiengen an zu brausen; das schwartze Gewölck sich zu sammlen; der Himmel zu donneren, und zu blitzen; das Meer sich aufzublähen; die Wasser-Wellen wie grosse Berg aufzusteigen; das Schif nicht allein zuruck, sondern bald in die Höhe, bald in die Tiefe dergestalt getrieben und geworfen zu werden, daß man augenblicklich nichts anders, als den erbärmlichen Untergang zu gewarten hatte. Sie bemüheten sich zwar, das Schif-Ancker fest zu machen; allein es wolte nichts helfen. Also mußten sie sich werfen und schwingen lassen, wie, und wohin es der Ungestümme gefällig ware. Als nun der Mastbaum und Segel zu Schanden gerichtet, auch das Schif an vielen Orten durchlöchert war, triebe sie ein Sud-Wind zu einem gefährlichen Meer-Hafen; wohin sie aber eben dieser Ursach willen nicht länden wolten. Nach gepflogenem Rath setzte sich Emanuel samt seiner Gemahlin, Kindern, und Bestem, was er hatte, in ein Neben-Schiflein, und ware äusserst bemühet, das Land zu erreichen. Unterdessen aber erhube sich bey denen, die im Schif verblieben, ein erbärmliches Jammeren und Heulen; und weilen das allenthalben beschädigte Schif zu sincken begunte, ward ein jeder besorget, so gut er vermöchte, sein Leben zu retten. Manche trachteten mit Schwimmen ans Land zu kommen; wurden aber von den Trümmern des Schifs, Kisten und Kästen, so im Meer herum schwebten, gequetscht, und mercklich verhindert. Andere hatten zu ringen mit den Wellen und Winden, bis sie von denselben überwunden in die Tiefe gestürtzt wurden. Das Heulen und Jammeren ward des Brausens und Sausens halber von Niemand vernommen, als von denen, die es selbsten angienge; die aber ihnen selbst so wenig helfen konnten, als diejenige, denen es nicht zu Ohren kame. Viertzig Portugesen, und siebentzig andere Lands-Gebohrne hat das unersättliche Meer verschlucket; die übrige aber haben durch unterschiedliche Mittel, wiewohl kümmerlich, das Land erreicht.


Demnach Sosa mit seinem kleinen Häuflein auch an das Gestatt kommen, sahe er allbereit viel todte Cörper deren, so das Meer dahin geworfen, daher schwimmen; gleichsam begehrten sie zur Erden bestattet zu werden: andere aber, so halb tod, oder hart verwundet, schrien um Hülf und Labung. Der betrübte Held ertheilte beyden, so viel möglich, seine willfährige Hülfleistung; wiewohl ihm dieser elende Zustand das Hertz fast entzwey schnitte. Er begrube die Verstorbene; erquickte die Schwache und Ohnmächtige, sprache allen Muth und Hertz ein, die von GOtt gesandte Verhängnuß mit Christlicher Gedult zu übertragen: worinn er auch selbst samt seiner Gemahlin allen anderen mit dem Beyspiel vorgienge. [259] Sie aber von so treu-meinender Red ermuntert, übergaben sich insgesamt seinem Gefallen, und gelobten an; ihme, als ihrem Herrn und Hauptmann überall, und in allen Dingen zu folgen, wo er sie auch hinleiten, oder was er immer von ihnen begehren wurde. Nach Verweilung von 13. Tagen zogen sie Ost-wärts gegen einem bekannten Fluß in das Land hin ein, zu sehen, ob sie allda einige Hilf antreffen, und zur Fortsetzung ihrer Reis möchten angewiesen werden. Der Schif-Herr, Andreas Vatz, gienge voran mit einem grossen Creutz in der Hand; ihme folgte Emanuel, sein Gemahlin Eleonora, und die Kinder: hernach 80. Portugesen: 100. Kriegs-Knecht: endlich die übrige Schif-Bursch, Diener, und Mägd, samt den Krancken, und Beschädigten, so diesen elenden Hauffen beschlossen. Sie mußten manches von den Mördern, und wilden Thieren unsicheres Ort durchreisen: jetzt über hohe abhängige Berg-Felsen; bald in tieffe Thäler sich hinab lassen; durch unwegsame sandige Wüsten ziehen; über angeloffene Ströhm, und morastige Pfützen setzen, nicht ohne 1000. Ungemach, und stete Gefahr des Lebens. Jedoch zeigte sich Eleonora über ihr weibliches Geschlecht hierinn sehr großmüthig, und behertzt, als welche diesen so beschwerlichen, und fast 100. Meil langen Weeg mehrentheils zu Fuß abgelegt; auch (ihre Bediente zu entheben) die Kinder selbst auf den Armen, oder Rucken dahin getragen hat.

In solcher Müh-vollen Beschwernuß verflosse fast ein gantzer Monath, nach welchem die Nahrung, und nothwendige Lebens-Mittel begunten abzunehmen; dannenhero sie sich eine Zeitlang mit denen von dem Meer ausgeworffen, und allbereit stinckenden Fischen ernähren; da aber auch diese nicht vorhanden, oder erklecken wollten, mit den unzeitigen Früchten, wilden Kräutern, und Baum-Blättern, ja wohl auch mit dem Aas wilder Thieren, deren gebratenen Gebein, und im Wasser erweichten Häuten zu frieden seyn mußten. Etliche, bey denen der Hunger all zu starck anhielte, aus Begierd, etwas anzutreffen, verzogen sich etwas in Wald; wurden aber unter Weegs von der Schwachheit überfallen, und seynd selbsten den wilden Thieren zur Speis worden. Niemand trunge dieser schmertzliche Zustand empfindlicher in das Hertz, als eben dem unglückseligen Sosa, welches bey so ungütigem Anstoß (wie unschwer zu gedencken) leichtlich hätte mögen zu Trümmer gehen. Aber durch eigene Schwachheit andere nicht kleinmüthig zu machen, und dergestalt in beyden das Elend zu vergrösseren, wußte er nicht allein seinen Unmuth meisterlich zu verdecken; sondern auch anderen Muth und Gedult einzureden; bevorab, weil er sahe, daß seine Gemahlin ein zartes, und des Ungemachs gantz ungewohntes Frauen-Bild, die Bitterkeit des Unglücks mit beständigem Muth verkostete, ihre Kinder selbst auf dem Rucken truge, Früchten und [260] Blätter für die Hungerige sammlete, und sich nicht einmahl wider GOttes Verhängnuß beklagte.


Es verflossen bey dieser Mühe- und Leid-vollen Reis 4. gantze Monath: da gelangten sie endlich bey obgedachtem Fluß an; wurden auch daselbst von einem Heydnischen Mohren-König, der sich über ihr Unglück, und elenden Stand gantz mitleidig erzeigt hatte, nicht allein freundlich empfangen, sondern auch mit allem Behuf, und Lebens-Mitteln gutwillig versehen. Weilen er auch ehedessen der Portugesen Hilfleistung erfahren, oder derselben noch inskünftig bedürftig war, wollte er sie aus tragender Zuneigung, und danckbarem Gemüth gantz treulich gewarnet haben, daß sie sich vorsehen, auch nicht weiter begeben; sondern bey seinem Hof verweilen, und der Gelegenheit, so sich etwann ereignen möchte, nach Portugal zu seglen, erwarten wollten: weilen von nächst gelegenen König, dahin sie ihren Weeg nehmen wollten, ihnen nichts, als Unheil, und augenscheinliche Lebens-Gefahr bevorstunde. Je freundlicher aber dieser Heid sich gegen Sosa erzeigte, je verdächtlicher fiele ihm dessen Anerbieten, und wohlmeinende Warnung; aus Beysorg, unter diesen Rosen (wie es dann öfters geschehen) möchte etwann ein Gift verborgen seyn, und sie davon unverhoft beschädiget werden. Also schlagt der Menschen Klugheit zum öfteren aus, sich selbst zu betrügen; und was zu forderist ersprießlich seyn könnte, wird durch ungegründeten Argwohn geflohen. Weilen nun der gutwillige Mohren-Fürst mit allen Rathen, und Warnen seine Gäst vom Untergang nicht abziehen konte, gabe er ihnen auf innständiges Anhalten etliche Schiflein, den nächsten Fluß hinab zu fahren, und endlich überzusetzen. Also gienge Sosa neben 100. und 20. seiner Gefehrten, so von 600. noch übrig waren, zu Schif, und erreichten erst am fünften Tag das Land, allwo er bey nächtlicher Weil ausgestiegen. Des anderen Tags zeigte sich ein Geschwader von 200. Mohren, so geraden Weegs auf sie zu ritten: weilen sich aber die Portugesen zur Gegenwehr stellten, und die Feuer-Rohr sehen liessen, hielten die Mohren still, und erforschten durch einen, den sie voraus gesendet, wer, und woher sie dahin gelangt wären. Sosa liesse ihnen zur Antwort ihr Unglück wissen; reichte ihnen etwas von schlechtem Eisen-Geräth, und begehrte hinwiederum einige Nahrung darvor. Die Barbaren entschuldigten sich, daß sie dermahlen nichts bey Handen härten; wollten sie aber ihnen in die Stadt, und zum König folgen, so wurde ihnen nicht allein nichts feindseliges, sondern alles gutes wiederfahren.


Die äusserliche Freundlichkeit dieser Heyden betroge damahls den sonst klugen Helden, daß er ihren Worten Glauben gabe, und samt den Seinigen (jedoch in guter Ordnung, und bewaffnet) der Stadt zu zoge. Als [261] der König (deme unterdessen alles hinterbracht worden) sie dergestalt, das ist, bewaffnet daher kommen sahe, begunte er sich in etwas zu förchten: damit er sie aber desto leichter in sein Netz bringen möchte, liesse er sich durch etliche Abgeordnete entschuldigen, daß er sie anjetzo der Gebühr nach, und zu Hof nicht bewürthen könte: Alldieweilen ihre Rüstung seinen Leuten schröckbar, und zuwider wäre: von denen sie in solchem Aufzug nicht wurden bedient werden. Wofern sie aber Wehr und Waffen von sich legen, und als vertraute Freund mit ihme umgehen, und handlen wollten, sollte ihnen alle Lieb und Ehr, so wohl von seiner Person, als von seinen Untergebenen wiederfahren; sie in unterschiedliche Flecken ausgetheilt, und mit allerhand Nothdurft nach Genügen versehen werden.

Allen gedunckte dieser Vortrag gut, und thunlich zu seyn; allein der klugen Eleonorä fiele alles verdächtig: welche sich doch aller anderer Meinung nicht widersetzen wollte, noch konte. Also wurden die Gemeine hier und dort in die Flecken vertheilet; Sosa aber, sein Gemahlin, und etliche Bediente, bis in die 20. Personen, in die Stadt und Vestung eingeholet.


Der Tyrann vermeinte nun, das Gewild im Garn zu haben, und ihm den Garaus zu machen. Demnach liesse er die Diener und Schif-Leut von seinen Untersassen sehr übel halten; den Sosa aber samt den Seinigen alles dessen, was vom Schifbruch noch übrig war (allein die Kleidung, und das Leben ausgenommen) berauben, auch dergestalt als See-Rauber vom Hof, und aus der Stadt verstossen. Dazumahl verdoppelte sich das Leid in den Hertzen dieser betrübten Gesellschaft, nicht allein wegen gegenwärtigen elenden Zustand, darein sie sich ohne Hofnung einiger Hilf gesetzt sahen; sondern, und vielmehr, weilen sie dem treulosen Anerbieten des verstellten Tyrannens Glauben zu gestellt, und sich mit Dargebung der Waffen zu allem seinem boshaften Ansinnen bloß gegeben hatten. Aber kaum da sie auch diese Wunde mit der Gedult, und Gleichmüthigkeit auszuheilen gedacht waren, da überfiele sie ein andere Mohrische Truppe, entzoge ihnen mit Gewalt die noch allein übrige Kleidung, und liesse sie gantz nackend auf dem freyen Feld sitzen, und weheklagen.


Niemand empfande diese Unbild schmertzlicher, als eben Eleonora, dero fast eisene Gedult bey so gewaltigem Stoß sich dazumahl in etwas hat krümmen lassen. Sie runge mit den unverschamten Raubern, und bemühete sich mit Händ und Füssen zum wenigsten das Unter-Kleid zu erhalten; und, da solches nichts verfienge, fiele sie den Mördern zu Füssen und bate mit heissen Zähern, ihro so viel zu vergönnen, daß sie sich ehrlich bedecken möchte. Aber eins halfe so viel, als das andere. Dannenhero ihrer eigenen Schamhaftigkeit, und anderer Ehrerbietung zu steuren, sprange [262] sie auf einen Sand-Haufen, machte allda eine Grube, und versenckte sich darein bis zu der Gürtel; den übrigen Theil des Leibs verdeckte das herab hangende Haar ihres Haupts. Sie rufte zwar unabläßlich nach ihrem Ehe-Herrn; weilen er aber von den Mohren hinweg geführt sich nicht mehr sehen liesse, wendete sie sich zu dem Schif-Hauptmann, und allen anderen Bedienten mit nachfolgender Klag, und Urlaubs-Red:

»Geliebteste Freund! ihr habt bishero mir, und meinem Gemahl, euerem Herrn, dermassen treue, und beharrliche Dienst geleistet, daß wir nicht mehr von euch hätten begehren, noch erwarten mögen. Nun aber, weilen es GOttes unerforschlicher Rath also verordnet, daß uns dieselbe nicht mehr erspriessen können, so will ich euch hiemit euerer Pflicht entlassen, und entlediget haben: Damit ein jeder sein Leben fristen, und sich, so gut er vermag, in Sicherheit setzen möge. Wofern aber dem einem, oder anderen aus euch das Glück wiederfuhre (wie ichs dann von Hertzen wünsche) daß er nach Portugal gelangen sollte, so bitte ich inständig, er wolle die Meinige, so etwann hierum forschen möchten, von allem, so uns begegnet (besonders von diesem unglückseligen End, welches ich durch meine vielfältige Missethat verdient) ausführlichen Bericht ertheilen.«

Hierauf schwiege sie ein Zeitlang still, als hätten ihr die aufwallende Schmertzen die Stimm verlegt. Bald aber erhebte sie ihre Augen gen Himmel, und gosse mit heissen Zähern gegen demselben folgende Wort aus.


»O GOTT! der du HErr über mein Leib und Leben bist. Dein Verhängnuß ist gerecht; und deine Urtheil seynd gantz billig. Nackend und bloß bin ich auf die Welt kommen; nackend und bloß verlaß ich sie wiederum. Ich küsse, und verehre deine göttliche Hand, welche mich also gezüchtiget hat. Scheide auch gern von dieser Welt: weil du es also gebietest. Dann mir ist dein heiligster Will über alles. Was mir das Sterben konte bitter machen, seynd diese zwey kleine Kinder, die mir an meiner Seiten verschmachten. Aber, du bist ein Vatter der Waisen. Dir übergiebe ich sie zum Leben; oder zum Tod. Dann auch dieses will ich deiner göttlichen Vorsorg heimgestellt haben. Lasse dir auch die Seel meines Ehe-Gemahls, so er etwann verschieden, anbefohlen seyn; und dann endlich die Meinige, welche ich in deine vätterliche, Händ willig aufgebe. Und obwohlen dies in einem wilden, und unchristlichen Land geschiehet; so weiß ich doch, daß kein Ort in der Welt zu finden, dahin sich dein grundlose Barmhertzigkeit nicht erstrecke.«


In dem sie dieses redete kam Sosa, der den Mohren entrunnen war, eilends daher geloffen; zu sehen, wie[263] es mit den Seinigen stunde. Als er nun Eleonoram, samt den zwey Söhnlein in einem so elenden Stand angetroffen, stunde er ein Zeitlang redloß, und gantz unbeweglich; gleichsam, als hätte ihn der übermäßige Schmertz in einen Stein verwandelt. Demnach warfe er sich gantz trostlos in den Sand, als wollte er samt ihnen den Geist aufgeben. Sein Gemahlin, so auch allbereit die Red verlohren, sahe ihn mit betrübten, und halb sterbenden Augen an, von ihm den letzten Abschied zu nehmen, welches ihm dann viel tieffer, als alle vorher gehende traurige Fäll ins Hertz schnitte. Endlich stunde er wiederum auf; begabe sich in das Gehöltz des beyliegenden Walds; um zu sehen, ob noch einige Nahrung anzutreffen, wormit er seine zwey Kinder, so neben der Mutter erhungerten, laben, und ihnen das Leben erhalten möchte. Obwohlen ihn nun die vätterliche Liebs-Sorg nicht lang in diesem Geschäft verweilen liesse, fande er doch bey seiner Wiederkunft allbereit eines aus beyden vom Tod übereilet; welches er zwar mit eignen Händen zur Erden bestattet; aber vor Leid fast sich selbsten mit eingescharret hätte. Bald hierauf lieffe er abermahl in den Wald, für das andere Kind noch einige Erquickung zu suchen; allein vor Angst und Sorgfalt, die Mutter und das Kind möchten etwann Zeit seiner Abwesenheit vor Elend verschmachten, kehrete er mit leeren Händen zuruck, und fande (leider!) allda, was er so ängstig geförcht hatte; das ist, beyde tod: die Mutter, und das zweyte Söhnlein. Da ergosse sich der Schwall aller vätterlichen, und ehelichen Betrübnuß, welcher bishero in den Schrancken der Starckmüthigkeit sich noch eingehalten hatte, völlig heraus, daß man hätte vermeinen mögen, er wurde vor Schmertzen dahin fallen, und sich samt ihnen beerdigen lassen. Jedoch, weil es anderst nicht seyn konte, zoge er die letzte Kräften zusammen; begrube mit Hilf zweyer Diener, von deren kläglichen Jammeren die Gegend erschallete, die verstorbene Leiber, und begabe sich nach vollendter Begräbnuß wiederum in den Wald, entweders seinem Leid und Wehe-Klagen allein Platz zu geben; oder einen Aufenthalt seines Lebens zu suchen. Man hat aber von selbiger Zeit an ihn niemahls mehr ersehen, noch erfragen mögen: ob er etwann von den wilden Thieren verzehrt; oder von den Barbaren seye aufgerieben worden.


Von der grossen Anzahl dieser Reisgefährten haben 26. das Leben davon gebracht, und seynd nach geraumer Zeit von einem Portugesischen Steurmann, so der Orten angelangt, und selbe als Sclaven (wie sie sich haben verdingen müssen) um ein Stuck Geld gekauft, und nach Portugal übergeführt worden: allwo sie diesen kläglichen Zufall der Welt kund gemacht haben.

[264] Hatzart, im Anderren Theil seiner Kirchen-Geschichten, von Abißinien, oder Ober-Mohrenland, 8. Capitel.


Allerweiseste Vorsichtigkeit GOttes! wie erstaunlich seynd deine Verhängnussen! und wie wunderbarlich lassest du die Sachen durcheinander lauffen! Sosa gedachte, seines Glück-Stands ruhig, und in seinem Vatterland zu genüssen. Aber da hat es geheissen, was man im Sprüchwort zu sagen pflegt:


Der Mensch denckts;

GOTT wendts.


Allein, wann uns zu fragen erlaubt ist, O grosser GOtt! warum hast du es gewendet? warum verhindert? vielleicht darum: weilen du vorgesehen, daß Sosa durch seinen Glück-Stand übermüthig werden, und selbigen zu seiner Seelen Verderben mißbrauchen wurde. O liebreiche! O Anbettens-würdigste Vorsichtigkeit! wie gut meinest du es mit uns! und wie angelegen ist dir unser Seelen Heil! Gelobt seyest du in Ewigkeit.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 258-265.
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