Sieben und sechzigstes Exempel.

Ein Possenreisser wird nach seinem Tod wiederum lebendig, lebt aber forthin in strenger Buß.

[357] Dieser ware aus der Stadt Speyer, seiner Handthierung ein Färber. Es ware kein Mahlzeit, wo dieser Fatz-Vogel nicht darbey war, denen Leuten einen Spaß und Gelächter zu machen. Wie geht es mit der Zeit, er wird tödlich kranck. Und da er nummehr halb todt da lage, erhohlte er sich in etwas, und fienge an zu schreyen: Wehe mir! wehe mir! der ich die Zeit meines Lebens mit Possen-Reissen so übel zugebracht hab, jetzt gehe ich in die Ewigkeit, und (wie ich sorge) der Verdammnus zu. Die Umstehende sprachen ihm zu, er solle nicht verzweiflen, sondern seine Zuflucht zu der göttlichen Barmhertzigkeit nehmen, als welche unendlich groß seye. Allein er sagte, er wäre solcher Barmhertzigkeit nicht würdig. Doch hat man ihn endlich nach vielen Zusprechen so weit beredet, daß er gleichwohl gebeichtet, und die letzte Weegzehrung empfangen, nach welcher er auch gestorben. Was geschiehet? gegen 2. Uhr Nachmitternacht, als die, so bey der Leich hätten wachen sollen, entschlaffen, richtete sich der vorhin Todte auf, warffe die Leilach, in welche er eingewickelt war, hinweg, und fienge laut an zu schreyen: über welches die Schlaffende erwachet, vor Forcht und Schröcken zum Haus hinaus geloffen, und das Wunder in der Nachbarschaft angezeigt, weßwegen des Morgens in aller Früh die gantze Stadt herzugeloffen, wo man ihn dann unterschiedliche Sachen gefragt, wie er nemlich wiederum lebendig worden, was er in der anderen Welt gesehen, und was die Ursach seines Schreyens seye? allein er gabe kein eintzige Antwort, bis ihme ein ankommender Priester das Heil. Creutz-Zeichen über den Mund gemacht. Da er dann nichts anders sagte, als: Ach wehe! ach wehe! eylete darauf in [357] die nächste Kirch, allwo er vor einem Altar 2. Stund lang gebettet hat. Alsdann stunde er wiederum auf, und erzählte männiglichen Wunderding von der Höllen und Fegfeur. Nachmals hat er noch 12. Jahr lang gelebt, aber alle Gemeinschaft der Menschen geflohen, und ist niemahlen mehr lachend gesehen worden. Hat auch alle diese Zeit in einem gar strengen und bußfertigen Wandel zugebracht, und ist aus seinem Mund niemahl ein eintziges müßiges, vielweniger eiteles Wort mehr gehört worden. Nach welcher Zeit er endlich das anderemahl aber gottseeliglich gestorben. Anonymus ex Ord. S. Franc. in libro, cui Titulus: Kleinod der edlen Zeit.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 357-358.
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