Neuntzigstes Exempel.

Ein frommer Türck wird wunderbarlich zum Christ-Catholischen Glauben bekehrt; dessen Wahrheit zu bezeugen er auch eine grausame Marter aussteht.

[391] Ein frommer Armenischer und Catholischer Priester der Griechischen Kirchen (welche ihren Priesteren, wann sie anderst keine Ordens-Leut seynd, den Ehestand zulaßt) hatte ein eheliche Tochter, so ihme, da sie im sechszehenden Jahr ihres Alters war, von Meer-Rauberen verführt, und einem Türckischen Scherif (ist der Namen eines vornehmen Herrns bey denen Türcken) zu einer Sclavin verkauft worden. Diese mit Christ-Catholischen Tugenden; wie auch schöner Leibs-Gestalt, und höflichen Sitten begabte Jungfrau gefiele dem Scherif so wohl, daß er sie ihm verehelichet hat. Allein mußte sie, ihrem Ehe-Herrn zu Gefallen, nach Türckischer Glaubens-Art leben; in ihrem Hertzen aber, gleichwie sie beständig bey der Catholischen Religion verbliebe, also hatte sie einen Abscheu ab dem Türckischen Greuel; liesse auch mithin nicht nach GOtt inniglich anzuruffen, daß er sie doch aus diesem gefährlichen Stand erlösen wolle.


Inzwischen begabe es sich, daß diesem Scherif nach etwelchen Jahren samt vielen von Meer-Rauberen entführten gefangenen Christen auch ein alter Mann zu einem Sclaven verkauft worden, unwissend, von wannen, und was Stands er wäre. Wie dann auch des Scherifs Gemahlin denselben bey seiner Ankunft im geringsten nicht kennete; jedoch aber gegen ihm ein so heftige Neigung spürte, daß sie sich selbst darüber nicht genug verwunderen konte. Nimmt derowegen die Gelegenheit, von ihm auszuforschen, was Lands, Stands und Handels er wäre. Die aufrichtige Wahrheit, so er bekennte, gabe [391] ihr Anlaß zu muthmassen, dieser alte Mann därfte etwann ihr leiblicher Vatter seyn. Jedoch hielte sie diesen Argwohn bey ihr selbst in Geheim, so lang, bis sie ein andere Gelegenheit ersehen, ein mehrers, und umständlichers von ihm zu erkundigen. Als der fromme alte Mann ihro wiederum die aufrichtige Wahrheit eröfnet hatte, fienge er unter Vergiessung häufiger Zäheren umständlich zu erzählen, wie daß ihm von so und so viel Jahren seine leibliche Tochter (die er auch mit Namen nennete) wäre entführt worden, welche doch in allen seinen Widerwärtigkeiten sein eintziger Trost geweßt seye. Nun aber, da er sie verlohren, seye mit ihr alle Freud verschwunden. Dieser Ursachen wegen lebe er jetzt in stätem Kummer und Betrübnuß, welche ihm mehr, als seine Gefangenschaft zu Hertzen gehe. Ueber diese Erzählung ward die Scherifin in ihrem Hertzen also gerührt, daß sie dem alten Mann um den Hals gefallen, und in diese Wort ausgebrochen: Ich, ich bin dein Tochter, die du also bedaurest; und du bist mein hertzallerliebster Vatter. Jetzt nachdem du mich vor so vielen Jahren verlohren, hast du mich wiederum gefunden. Worüber der gute Alte also erstaunet, daß er in eine Ohnmacht dahin gesuncken. Als er sich aber nach und nach wiederum daraus erholet, und die Scherifin genau in das Gesicht gefasset, erkennte er, daß diese, und kein andere seine leibliche und hertzliebste Tochter seye: bate also, dieses alles in höchster Geheimnuß zu behalten, damit weder ihro, noch ihme eine Ungelegenheit daraus entstehen möchte. Welches auch die Scherifin aufs genaueste beobachtet hat. Dann, wiewohl sie diesen ihren erkannten Vatter viel besser, als andere Sclaven hielte, wußte sie es doch mit diesem zu vermäntlen, daß es in Ansehung seiner grauen Haaren, und hohen Alters geschehe.


Ueber ein kurtzes befiehlt der Scherif diesem seinem eignen, aber noch unbekannten Schwäher hinaus auf sein Land-Gut zu gehen, und alldort die Schaaf zu hüten. Wiewohl nun dem guten Alten diese Absönderung von seiner liebsten Tochter sehr schwer fiele, so hatte er doch diesen Trost, daß er draussen im Feld von den Leuten entfernet, die Gelegenheit hatte seinem priesterlichen Stand nach täglich die Heil. Meß zu lesen, worzu ihm dann die Scherifin alle Nothwendigkeiten vorsichtiglich übermachte. Hierzu gabe ihm Gelegenheit die Höle eines Bergs, in welcher er seine Andacht verrichten konte: welches er auch mit grossem Eifer thate.


Nun begabe es sich auf eine Zeit, daß der Scherif ins Feld hinaus gienge, um seine Heerd zu besichtigen. Und als er gesehen, daß diese sich bey der Höle des Bergs aufhalte, gienge er auch dahin; siehet aber von weitem einen wunderlich-schönen Glantz aus der Höle herfür gehen. Ja, was noch mehr zu bewunderen, als er näher [392] hinzu kommen, siehet er, daß die gantze Herd Schaaf in schöner Ordnung mit gegen der Erden geneigten Kopf auf den vorderen Füssen, wie kniend da liege. Es stunde nemlich dazumahl der zum Hirten-Dienst gewidmete Priester eben an dem Altar, und war in dem Heil. Meß-Opfer begriffen. Und weilen er schon consecriert hatte, war er in der Andacht also vertieft, daß er seinen ankommenden Herrn, den Scherif anfänglich nicht wahrgenommen, bis er ihn endlich neben der Seiten ersehen, worüber beyde bestürtzt wurden. Der Priester zwar, daß er als ein Sclav in diesem Werck erdappet worden; der Scherif aber, daß er so wunderliche Ding zu sehen hatte, so wohl an der auf den Knien liegenden Herd der Schaafen, als an der auf dem Altar liegenden, und immerfort den zierlichsten Glantz von sich werfenden Heil. Hostie. Fragte demnach ernstlich, was das wäre, welches so heftig glantzte? der erschrockene Priester hatte aus dieser Frag wohl gemerckt, daß ein grosses Wunder mußte geschehen seyn. Erzählt ihm alles aufrichtig, wie daß er nicht allein ein Catholischer Christ; sondern auch ein Priester seye. Die Hostie aber auf dem Altar, welche aber einen so schönen Glantz von sich gebe, und von der Herd auf den Knien liegend mit zur Erden geneigtem Kopf verehret werde, seye nichts anders als der wahre, und lebhafte Leib und Blut JESU Christi, des eingebohrnen Sohns GOttes, und allgemeinen Erlösers des gantzen menschlichen Geschlechts. Der Scherif hierüber erstaunend begehrt einen Particul von der Heil. Hostie, sagend, wie daß er selbige ehrenbietig mit sich nach Haus tragen, und in einem mit Tappezereyen ausgezierten Saal aufbehalten wolle. Welches ihme dann der Priester (als welcher keine Entunehrung besorgte) ohne Widerred zugelassen. Und als selbige von dem Scherif in den Saal gebracht worden, ward selbiger also erleuchtet, als wann die Sonne selbst zugegen wär. Wordurch dann der Scherif in seinem Gemüth also erleuchtet worden, daß er sich entschlossen, ein Christ zu werden; wiewohl er vorsahe, daß ihm hierüber Leib- und Lebens-Gefahr wurde auf den Hals gezogen werden. Demnach beruft er den Priester von der Herd zu sich nach Haus, und eröfnet ihm sein Vorhaben, mit innständigem Begehren, daß er sich seiner annehmen, in der wahren Christ-Catholischen Lehr unterweisen, und zu einem vollkommenen Christen machen wolte. Als dieses mit höchstem GOttloben, insonderheit der Frau Scherifin geschehen, und ihr Herr Ehegemahl den Heil. Tauf empfangen hatte, wird ihm umständlich hinterbracht, wie daß dieser Priester der Frau Gemahlin leiblicher Vatter, und hiemit des Herrn Scherifs Schwäher seye, welches dann allerseits die Freud verdoppelt, und ist der Saal von dem Herrn Scherif zu einer Haus-Capell bestimmt worden.

[393] Dieser neubekehrte Herr fienge gleich darauf an seinen Eifer für die Ehr der Christ-Catholischen Religion zu zeigen, indem er zu dero Ehr in Türckischer Sprach zierliche Reimen verfasset hatte. Allein, er wurde von Freunden gewarnet, sich bey Leib nicht für den Urheber dieser Reimen auszugeben; sonsten därfte ihm ein grosses Unglück über den Hals kommen. Es ward aber dieser Herr darüber nur eifriger, und bekennete vor männiglich, daß er dem Glauben nach nunmehr kein Türck, sondern ein Catholischer Christ seye.


Da konte er aber ihm schon selbst vorsagen, daß er nichts anders, als eine grausame Marter zu gewarten hätte. Zu welcher, damit er sich gefaßter machte, befiehlt er dem Priester, seinem Schwäher-Vatter, wie auch seiner liebsten Gemahlin, alle seine kostbare Sachen einzupacken, sich damit in die Flucht zu begeben, und den Weeg in ihr Vatterland zu nehmen: welches dann unter Hertz-brechenden Seuftzeren, heissen Zäheren, und kläglichen Abschied geschehen ist.

Als dieses kaum vorbey, da langten schon die Gerichts-Diener von dem Türckischen Cadi (will sagen, von dem Unterrichter) an, so den Scherif gefangen nahmen, und für Gericht führten, mit heftiger Anklag, wie daß er ein Lästerer ihres Mahomets, und Türckischen Glaubens seye, ja so gar für einen Christen sich ausgebe.

Der Cadi fragt ihn, ob er dieser Klagen geständig seye? worauf der Scherif unerschrocken mit Ja geantwortet: und noch hinzu gesetzt, daß er als ein Christ leben, und sterben wolle. Der Cadi hierüber ergrimmet, laßt diesen Christlichen Bekenner auf gut Türckisch abprüglen, und in Kercker stecken, hoffend, er wurde sich eines anderen besinnen: welches der Cadi des folgenden Tags theils mit allerhand Schmeichlereyen; theils auch mit Bedrohungen zu erpressen sich bemühete. Als aber der Scherif weder durch eins, noch das andere sich bewegen liesse; sondern je länger, je mehr aufrufte, daß er ein standhafter Christ verbleiben wolle, da ward das Urtheil gefällt, daß, wann man zuvor allerhand Peinigungen an ihm wurde probiert haben, er alsdann lebendig solte geschunden werden: welches dann auch auf offentlichem Platz an ihme vollzogen worden. Unter welcher grausamen Marter dieser Blut-Zeug Christi in dem angenommenen Catholischen Glauben, sich im geringsten nicht änderte.


Alle in grosser Menge anwesende Zuschauer erstauneten ab der unüberwindlichen Standhaftigkeit; das um so viel mehr, da sie sahen, wie der Scherif auch nach abgerissener Haut noch stehen verblieben; ja so gar sein eigne Haut über die Achsel genommen, und nach dem Ort, wo er solte enthauptet werden, getragen hat.

[394] Als er in dieser erbärmlichen Gestalt neben einem grossen Stein vorbey gienge, rufte er drey Finger aufhebend mit lauter Stimm vor männiglich auf: O GOTT! wann der Christ-Catholische Glaub, den ich angenommen, der wahre und allein seligmachende Glaub ist, so bitte ich, daß dieser Stein so lind werde, damit ich meine blutige Finger hinein stecken könne. Welches dann auch geschehen, Und bleiben noch heut zu Tag die Maal dieser eingedruckten Fingeren in dem Stein, in dessen Löcher die vorbeygehende Christen ihre Finger hineinzulegen pflegen. Endlich, als diese Eindruckung geschehen, und schon alles fertig war, ihme auf der Richtstatt das Haupt abzuschlagen, da gabe er seinen Geist auf in die Händ seines Schöpfers, ehe und bevor der Scharfrichter das Schwerd hat brauchen können. Angelo di Milano nelle Fioretti Istorici.

Item Michael Feburne in seinem neuen Türckischen Schau-Platz; so auf Befehl Innocentii des Eilften gedruckt worden.


Wie solle nicht diese Begebenheit zu schanden machen die Calvinisten, welche die Gegenwart Christi unter denen consecrierten Gestalten des Heil. Sacraments des Altars laugnen därfen? so gar die unvernünftige Thier mercken diese Gegenwart; diese unglückselige Menschen aber wollten es nicht mercken. O Blindheit! O Verstockung! erleuchte sie, barmhertziger JEsu! damit sie dir jene Ehr erweisen, welche dir in diesem Heil. Sacrament in allweg gebühret; und damit sie mit uns Catholischen von Hertzen sprechen:


Gelobt sey JEsus ohne End,

In dem heiligen Sacrament.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 391-395.
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