Zwey und neuntzigstes Exempel.

Eine Verleumderin wird auf eine unverhofte Weiß zu Schanden gemacht; und noch darüber aus gerechter Straf GOttes vom Teufel besessen.

[400] Um das Jahr Christi 240. ware zu Alexandria in Egypten ein Heidnischer Statthalter, Philippus mit Namen. Dieser hatte ein verständige und sittsame Tochter, Eugenia genannt, welche er an dasigen Burgermeister zu verehlichen gesinnet war. Es begabe sich Eugenia auf die Erlernung der freyen Künsten, welche dazumahl zu Alexandria im Flor waren: und erkennete mithin nach und nach die Wahrheit des Christlichen Glaubens. Dannenhero sie sich, ohnwissend ihres Herrn Vatters tauffen lassen. Weil sie aber besorgte, deswegen von ihm, als welcher ein Heyd war, nicht allein hart verfolget, und mithin nicht allein zum Ehestand; sondern auch den Christlichen Glauben abzuschwören gezwungen zu werden, ersonne sie, dieser Gefahr zu entgehen, ein Mittel, welches ohne sonderbare Eingebung GOttes zu ergreiffen, nicht erlaubt ist. Dann sie kleydete sich an wie ein Manns-Bild, und nahme in solchem Aufzug den geraden Weeg einem Mönchs-Closter zu, allwo sie für dessen Vorsteher gelassen zu werden begehrt hat. Als sie dieses erhalten, warffe sie sich zu dessen Füssen, und batte inständig, für sie die Gnad zu haben, und ihn (also wollen wir hinführo von Eugenia reden: dieweil sie ein Jüngling, und mannliches Geschlechts zu seyn scheinte) unter seine Ordens-Brüder aufzunehmen. Der Vorsteher in Ansehung des gross Eyfers, mit welchen dieser verstellte Jüngling anhielte, und also Hofnung war, es wurde mit der Zeit aus ihm ein frommer Ordens-Bruder werden, nimmt ihn auf. Als er das Ordens-Kleyd empfangen, fieng er an ein so exemplarisches Leben zu führen, daß sich alle Ordens-Brüder an ihm spieglen mußten. Der böse Feind, welcher sich schamte, von dieser Jungfrau überwunden zu seyn, erweckte diesem verstellten jungen Mönch ein entsetzliches Ungewitter. Dann der Vorsteher des Closters befahle dem jungen Mönchen eine gewisse krancke adeliche Fräulein, Melantia mit Namen, zu besuchen, und mithin GOtt zu bitten, daß er ihr die vorige Gesundheit wiederum zustellen möchte: welches auch geschehen. Allein die erlangte Gesundheit war ein Anfang einer tausend gefährlichern Kranckheit, [400] als die vorige war. Dann weilen Melantia nicht anders glaubte, als daß der verstellte junge Mönch in der Wahrheit ein Manns-Bild seye, entbrannte sie gegen ihm in solche Lieb, daß sie ihre unziemliche Begierd ihme zu eröffnen kein Bedencken truge. Allein sie wurde von ihm geschwind mit diesen Worten abgefertiget: wo gedencket ihr doch hin, adeliches Fräulein? wisset ihr nicht, daß das Christenthum alle Unlauterkeit verbietet; absonderlich uns Mönchen, als die wir uns durch ein theures Gelübd zu einem keuschen Leben verbunden haben?


Wie nun Melantia auf solche Weis abgefertiget worden, und sie sich hiemit für beschimpft hielte, gedachte sie hin und her, wie sie diesen vermeinten Schimpf rächen wolte. Sie gienge demnach zu dem Stadt-Richter, und klagte, wie daß der junge Mönch sie hätte Noth züchtigen wollen. Der Richter laßt ihn deswegen ungesaumt vor Gericht forderen; der junge Mönch (nemlich Eugenia) erscheint, und siehet (O GOttes wunderbarliche Anordnung!) daß der Richter ihr leiblicher Herr Vatter ist; von dem sie aber, weil sie wie ein Manns-Bild gekleydet, und wegen geführten strengen Leben ziemlich abgemergelt war, nicht erkennt wurde. Von diesem dann ward sie mit nach folgenden Worten hart überfahren: was für eine Klag muß ich wider dich vernehmen, du verruchter Mönch? ist das die schöne Lehr, so dich dein Christus gelehret hat, daß du nemlich ein adeliches Fräulein mißhandlen und schänden wollen?


Eugenia (der verstellte Mönch) ohne sich zu verthätigen antwortet: die Schrift sagt, es seye eine Zeit zu schweigen; und eine Zeit zu antworten. Bishero hab ich geschwigen, jetzt aber, da es die Ehr unsers Seeligmachers angeht, muß ich reden. Hierauf reisset sie ihren Rock von der Brust auf, und zeiget, daß sie kein Mannsbild (wie man sie darfür gehalten) sonderen wahrhaftig ein Weibsbild seye. Darauf sagte sie: ey! Melantia, bin ich wohl eine solche Person, welche da fähig ist dessen Lasters, dessen ihr mich beschuldiget? die unglückseelige Melantia vermeinte eben vor Schamhaftigkeit zu sterben: dann sie von allen, so diesem Gericht beywohnten, verschimpft, gelästert, und als eine Ertz-Verleumderin ausgescholten worden. Ja aus gerechter Straf GOttes ward sie noch darzu von dem Teufel leibhaftig besessen. Der Stadtrichter erkennte mithin, daß Eugenia sein leibliche Tochter seye. Wurde darauf ein Christ, und erlangte so gar einige Zeit hernach samt seiner Tochter die Marter-Cron. Metaphrast. 25. Decemb.


Da siehet man, wie GOtt das Laster der Verleumdung zu Schanden Mache, und die Unschuld errette. Darum wollen diejenige, [401] so unbilliger Weis verleumdet werden, ihr Hofnung nur auf ihn setzen, und sie werden erfahren, daß er sie nicht werde lassen unterdruckt werden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 400-402.
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