Drey und neuntzigstes Exempel.

Ein türckischer Printz erzählt von sich selbst, wie wunderlich er zum Christlichen Glauben seye bekehrt worden.

[402] Zu Fetz, einer Africanischen, und Königlichen Stadt der Barbarey hatte ich das erstemahl das Tag-Liecht angeschauet. Mein Herr Vatter ware König und Herr dieses Königreichs. Es hat das Ansehen, meine Geburt müßte dem Gebett meiner Frau Mutter zugeschrieben werden. Dann sie hatte zu GOtt ein Gelübd gethan, daß, wann sie ein Söhnlein gebähren wurde, wolle sie selbiges dem Dienst seiner göttlichen Majestät aufopferen. Wie sie dann auch nachgehends solchem Gelübd würcklich (wenigst ihrer Meinung nach) ein Genügen gethan hat. Als ich nun das fünfte Jahr meines Alters erreicht hatte, ward ich denen Lehrmeisteren übergeben, mich im Mahometanischen Glauben zu unterrichten. Es hat sich aber öfters ein wunderliche Sach zugetragen. Nemlich, da ich in der gottlosen Sect unterrichtet wurde, verfluchte ich selbige in dem Gemüth, und hatte darob ein hertzliches Abscheuen. Dannenhero mir selbige nach und nach je länger je mehr verleidete. Ja es hatte sich einstens zugetragen, daß ich die heiligste Namen JEsus und Maria ausgesprochen, da ich doch nicht wußte, was sie bedeuten. Und als ob solches mein Frau Mutter gehört, gabe sie mir deswegen einen ernstlichen Verweiß, und wolte wissen, wo, und von wem ich solche Namen gehört hätte? und als ich ihr aufrichtig bekennt, wie daß ich selbst nicht wisse, warum mir diese Namen in den Sinn kommen; noch was sie bedeuten, da warnete sie mich, solche Namen nicht mehr auszusprechen: dann solche wurden ausgesprochen von denen Christen, als abgesagten Feinden des Mahometanischen Glaubens. Dieses ware nun Ursach, warum sie mich zu Nachts nirgend anderswo, als in ihrer Kammer wolte schlaffen lassen. Es truge sich aber zu, daß ich bey nächtlicher Weil helle Liechter um mich herum gesehen, ab welchen, weil ich erschrocken, bemühete ich mich unter der Beth-Decke zu verbergen; aber umsonst: dann ihr Glantz hatte so gar die Decke durchgedrungen. So sahe ich auch öfters vor meinen Augen die schönste Frauen-Bilder in Schnee-weissen Kleideren.


Als ich nun das vierzehende Jahr meines Alters erreicht, bathe ich meine Eltern, daß sie mich verheurathen wolten. Es verzoge sich aber ein gantzes [402] Jahr, bis solches geschehen. Und das wegen der Heuraths-Verträgen; wie auch wegen denen Vorbereitungen, die man auf das hochzeitliche Fest zu machen hatte. Da hab ich mich dann mit einer schönen und ansehnlichen Printzessin verheurathet. Allein mein Hertz fande kein vollkommenes Vergnügen. Es gienge mir aber ab mein Jesus, der allein das menschliche Hertz vergnügen kan, mithin als es geschehen, daß ich mit meiner Gemahlin zwey Töchterlein erzeuget, kame mich die Begierd an, eine Wallfahrt nach Mecha (einer Stadt in Arabien, allwo des Mahomets Grab ist) zu verrichten, und selbiges nach Gewohnheit der Türcken zu verehren; damit ich diejenige Gaaben erlangen möchte, von welchen diese verblendete Leut traumen lassen. Die vornehmste Ursach aber war diese: weil ich gehört hatte, daß, welcher solche Wallfahrt unterliesse, entweders als ein Jud; oder als ein Christ sterben wurde. Solcher Gefahr nun zu entgehen, fassete ich den Entschluß, gedachte Wallfahrt würcklich anzutretten. Allein es ist nicht auszusprechen, was gestalten mein Herr Vatter, meine Gemahlin, und die vornehmste Herren des Reichs sich meinem Vorhaben entgegen gesetzt. Ja mein Herr Vatter kame so weit, daß er mir alles abschluge, was ich zur Reise vonnöthen hatte. Underdessen branne ich vor Begierd abzureisen. Und jemehr war ich darinn bevestiget; also, daß ich mich endlich resolviert, wann ich auch aller Mittlen entblößt wäre, abzureisen. Als ich aber gebetten ward, die Reise wenigst auf ein Jahr hinaus zu verschieben, hab ich mich endlich dazu bereden lassen. Unterdessen ist meine Gemahlin mit einem Söhnlein niederkommen.

Endlich, nachdem ich mit gröster Mühe alle Hindernussen überwunden, hab ich (wiewohl es mein Herr Vatter ungern gesehen) die Reise angetretten: dieweil sich wenigst meine Frau Mutter meiner erbarmet, und mir mit der Weeg-Zehrung an die Hand gegangen. Ich kame also zu erst nach Tunis, einer gleichfalls Africanischen, und Königlichen Stadt in der Barbarey, allwo ich von dasigem König, als meines Herrn Vatters sonderbaren Freund, herrlich empfangen worden. Habe mich allda wegen heftiger Ungestümme des Meers etliche Täg aufgehalten.


Währender solcher Zeit kame mir bey nächtlicher Weil im Schlaf vor, als sehe ich vor mir einen Mann in einem weissen Kleid, der mich durch unterschiedliche Gassen der Stadt herum führte. Diesen fragte ich, wohin er mich führen wolte? und er antwortete: In Christliche Landschaften: dann in solchen will GOtt haben, daß du dein Leben beschliessen sollest. Dieses Gesicht hab ich meinen bey mir habenden Gefehrten erzählt. Die mir aber solches ausgeredt, sagende, es wäre nichts anders, als ein Betrug vom Teufel, der mich zu verführen suche. Ich verachtete auch solches Gesicht [403] innerlich in meinem Gemüth: dann ich sagte bey mir selbst: Wie kan das seyn, wann ich von hier meine Reise weiter nach Mecha fortsetze? allein, als ich mit meinen Gefehrten auf die Höhe des Meers kommen, da fielen wir denen Christlichen Maltheser-Ritteren in die Händ, die uns dann als Gefangene mit sich weggeführt haben. Wir hätten uns zwar sowohl wegen der Anzahl unserer Schiffen, als auch Erfahrenheit der Soldaten widersetzen, und vielleicht erwehren können. Allein GOtt hat es also haben wollen, daß wir gefangen wurden. Und diese Gefangenschaft hat mir auch zur wahren Freyheit ausgeschlagen.


Also wurde ich nach der Insul Maltha (so auf dem Mittelländischen Meer liegt) gebracht; allwo ich mich aber nicht zu erkennen gabe. Allein ich ward von einem meiner Gefehrten verrathen, daß ich ein gebohrner türckischer und königlicher Printz seye. Man liesse mir also nicht zu, daß ich mich ausser der Insul (wie sonst gewöhnlich andere Gefangene thun müssen) aufhalten durfte: sondern man führte mich unverzüglich für den Groß-Meister der Herren Maltheser-Ritteren; die sich dann um mich herum stellten, und fragten: woher, und was Stands ich seye? denen ich dann alles aufrichtig bekennt hab.

Allein mein Aufenthalt in dieser Insul ware sehr traurig; indem ich stäts an mein liebes Vatterland, liebe Eltern und Anverwandte gedachte. Es fiele mir über die massen schwer, mit denen Christen, als des Mahomets abgesagten Feinden umzugehen. Jedoch tröstete ich mich eines theils mit dem, daß ich die Gelegenheit hatte, meine mitgefangene Türcken, welche in ihrem Glauben allgemächlich zu wancken begunnten, zu stärcken: dieweil ich in denen Thorheiten meiner Sect sehr wohl unterrichtet war: ich schriebe demnach ein Buch zusammen wider die heiligste Lehr Christi, welches freylich ein greuliche Sünd war. Ich hoffe aber diese seye mir durch den heiligen Tauf nachgelassen worden.

Nun wie gienge es weiters? es waren nunmehr fünf Jahr verflossen, daß ich mit solchen Geschäften umgangen. Ich suchte zwar, wie ich wiederum könnte frey werden. Allein ich sahe nicht, auf was Weis solches geschen könnte. Dann mein Vatterland ware allzuweit entlegen; und ware niemand, der mich aus dieser Gefangenschaft auslösen konte, als der König zu Tunis, dessen Obsorg ich von meinem Herrn Vatter, da ich zu wallfahrten abgereißt ware, bin recommendirt worden.

Der Groß-Meister der Insul wolte anfänglich nicht sagen, wie viel Löß-Geld er für mich, und meine mitgefangene Türcken fordere. Jedoch hat er sich endlich verlauten lassen, daß er eine Summa von achtzig tausend Gulden verlange, welche auch der König zu Tunis erlegt hat. Unterdessen erschiene mir bey nächtlicher Weil die heiligste Jungfrau, und Mutter meines HErrn JEsu Christi. [404] Die sagte dreymahl zu mir: Ich will dich zu meinem Sohn annehmen. Als ich hierauf erwacht, gedachte ich, dieses werde etwann nach meinem Tod geschehen. Ich schriebe demnach an König zu Tunis, daß er meiner Zuruckkunft gewärtig seyn wolte. Er schriebe mir auch zuruck, und ermahnte mich, daß ich es bäldist thun solte.

Allein, da ich mich öfters zur Abreise fertig machte, fande ich allerhand Beschwernussen. Endlich, als es schon an dem ware, daß ich abreisen wolte, geschahe es, daß ich die vorgehende Nacht schier gantz Schlaf-loß zubrachte. Da fragte ich mich dann selbsten: Was wolten doch so viel Beschwernussen, und Widerwärtigkeiten bedeuten? es scheint einmahl, GOtt fordere etwas anderes von mir. Da ich mit diesen Gedancken umgehend eingeschlaffen, kame es mir in dem Traum vor, als sehe ich vor mir einerseits ein schwartzes; anderseits aber ein feuriges Meer. Und nachdem ich durch das schwartze hinaus geschwummen, seye ich in das feurige gerathen. Da schrye ich dann überlaut: HErr GOtt! hilf mir. Auf dieses hin sahe ich auf einem hohen Berg einen Mann, der mir die Hand reichte, und mich aus dem feurigen Meer an das Ufer setzte. Diesen Mann fragte ich, wer er seye? und er antwortete: Ich bin der Heil. Tauf, so lang ich dir abgehe, kanst du nicht selig wer den. Und das ist die Ursach, warum dich GOtt durch so viel Hindernussen in den Christlichen Landen aufgehalten: damit du nemlich in die Zahl der Christen kommen mögest. Als ich hierüber erwacht, gedunckte es mich, ich seye ein gantz anderer Mensch. Darum achtete ich weder meines Vatter-Lands, noch meiner Eltern mehr. Ich verfluchte auch meinen vorigen Entschluß, nacher Mecha zu wallfahrten; und sorgte allein, wie ich möchte ein Christ werden. Und diese meine Veränderung ist geschehen vor dem Fest des Heil. Antonii von Padua im Jahr Christi 1656.


Wem werd ich nun zu Genügen beschreiben können das Frolocken der Maltheser-Ritteren, samt ihrem Groß-Meister? wie auch die Freud meines Hertzens, die ich empfunden, indem ich zu Gemüth geführt, wie süß es seye, dir, O mein Jesu! zu dienen? und daß deine Gebott süsser seyen, als das Hönig? darum fiele meinem Gehör nichts beschwerlichers, als wann mir diese Wort in den Sinn kamen: Wallfahrten nach Mecha. Türck und Mahomet.

Unterdessen hatte ich den grösten Streitt mit meinen mir zugegebenen Bedienten, welche immerdar sagten, ich seye von meinem Herrn Vatter ihrer Treu und Obsorg anbefohlen worden; und also därfen sie ohne mein Person nicht in mein Vatterland zuruck kehren. Allein GOtt gabe mir die Gnad, in dem angenommenen Christenthum zu verbleiben. Und da sie mich fragten: wie ich mich erhalten werde; indem ich von meinem Vatterland: [405] wie auch von dem König zu Tunis nichts zu hoffen habe? gabe ich ihnen zur Antwort: so wolle ich dann bettlen gehen.

Da ich nun also dem Streitt mit meinen Bedienten ein End gemacht, gienge ich zu einem gewissen Herrn in der Insul, dem ich meinen Entschluß entdeckte. Dieser dann in Anhörung meiner Beständigkeit im Christenthum hebte vor Freuden die Händ gen Himmel, und danckte GOtt wegen meiner so wunderbarlichen Bekehrung, und nahme mich an Sohns-statt auf; befahle auch seinen Haus-Genossenen, mir in allem zu dienen, und im geringsten nichts abgehen zu lassen. Bald darauf recommendirte er mich denen Jesuiten, damit sie mich im Catholischen Glauben vollkommentlich unterrichten solten. Welches als es geschehen, haben sie mir am Tag ihres Heil. Ordens-Stifters Ignatii den Heil. Tauf mitgetheilt.


Nachgehends aber haben mir die Verfolgungen der meinigen nicht wenig zu schaffen gegeben. Dann neben dem, daß sie mir nach dem Leben getrachtet, erhielte ich von meiner Gemahlin ein zärtliches Schreiben, in welchem sie mir theils den tödtlichen Hintritt meines Herrn Vatters; theils ihr höchste Ungedult angezeigt, mit welcher sie meine Zuruckkunft erwartete, als eines rechtmässigen Nachfolgers in dem Königreich Fetz.

Allein ich stritte wider alle diese Anlockungen, gabe zur Antwort, daß ich nichts anders, als allein GOtt suche; und mithin alles Zeitliche in Wind schlage. Bald darauf begabe ich mich in den Orden der Jesuiter, in welchem ich mein Leben mit gröstem Trost zubringe.

Bis hieher lautet die Erzählung des Printzens, deme in dem Orden der Namen Baltasar von Lojola ist beygelegt worden.

Als er in kurtzer Zeit so wohl in Wissenschaften, als Frommkeit grossen Fortgang gemacht, begabe er sich auf das Geschäft, die Mahometaner zum Christlichen Glauben zu bekehren. Da er nun in solcher Arbeit eine geraume Zeit mit unbeschreiblichen Eifer, und mühsamen Hin- und Herreisen als Missionarius zugebracht, und mithin seine Kräften völlig erschöpft hatte, fiele er in eine tödtliche Kranckheit, in welcher er mit dem Heil. Apostel Paulus nichts anders wünschte, als von den Banden seines sterblichen Leibs aufgelößt zu werden, und bey Christo zu seyn. Wie er dann auch in den Willen GOttes gäntzlich ergeben, wiewohl noch in besten Jahren seines Alters, sein Leben beschlossen, und hoffentlich zu den ewigen Freuden abgeflogen ist.

Thyrsus Gonzalez, olim Præpositus Generalis S.J. in Manuduct. Mahomet. Part. 2. l. 2. c. 8.


O der unendlichen Güte GOttes. Wie wunderbarlich hat sie diesen Printzen an sich gezogen! welcher, wann er in seinem Irrthum verharrend sein Leben geendiget hätte, ewiglich wäre zu Grund [406] gangen; und folgsam, wie andere Verdammte in der Hölle, den lieben GOtt, aus verzweifleter Raserey, ewiglich wurde gelästert haben, deme er jetzt (wie zu hoffen) im Himmel ewiges Lob und Danck erstattet.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 402-407.
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