Zehende Begebenheit.

Ein Französischer Kaufmann waget sich mit all seinem Haab und Gut auf das Meer; leydet aber Schifbruch, kommt um alles, und muß voller Elend wiederum nach Haus kehren.

[640] Dieser Kaufmann, Samson genannt, war von GOtt mit guten Mittlen versehen, und hatte zu seiner, und der Seinigen reichlichen Unterhaltung durch glückliches Gewerb zu Land einen schönen Reichthum erworben. Aber sich noch mehr zu bereichen, liesse er sich durch unmäßige Begierd so weit verleiten, daß er bey sich beschlossen, den tückisch und falschen Meer-Wellen sein Leben, Glück, Haab und Gut zu vertrauen. Und ob ihm schon zum öfteren in seinem Gemüth grosse Unruhen entstanden, welche ihm auf alle Weis das gefährliche Meer zu versuchen widerriethen, auch ihme die augenscheinliche Gefahren des Tods, und der Armuth vor Augen stellten, so schluge er doch dieselbe alle leichtsinnig in Wind, und der einmahl gefaßte Schluß, die Handelschaft auf dem[640] Meer zu probieren, mußte vollzogen werden, ob gleich dardurch all sein Vermögen in die gröste Gefahr gesetzt wurde. Und die grosse Begierd, auf einmahl grossen Gewinn zu erhaschen, verblendete sein Gemüth dergestalten daß er nicht gedachte, wie er auch auf einmahl sein Leben einbüssen, Weib und Kinder ins äusserste Elend stürtzen könte. Es liesse also dieser Samson mit grossen Kösten ein Schif erbauen; wagte sowohl zu dessen Ausfertigung, als Beladung all sein Vermögen auf, und kaufte neben dem besten Wein viel kostbahre Waaren zusammen, welche er alle dem Schif, oder vielmehr dem tobenden Wasser anvertraute, ja auch sich selbst damit in Engelland zu schiffen, von Haus hinweg, und auf das weite Meer begabe. Als er nun in bester Hofnung, bald einen reichen Gewinn zu machen, dahin seglete, entstunde ungefähr ein grosse Ungestümme, und abscheuliche Finstere auf dem Meer, welche dem Steur-Mann nicht allein das Ruder entrisse, sondern auch die Augen dergestalten verduncklete, daß niemand mehr wußte, wo aus, und wohin man fuhre. Bald stunde das Schif auf den höchsten Wellen gantz in der Höhe; bald lage es in der Tieffe darunten, und wurde also bald hin, bald her von den Wellen gleich einer Ballen geworffen; bis endlich in diesem verwirrten Stand das Schif zu einer Insul kame, und allda an deren Stein-Klippen durch den Sturm-Wind also angetrieben wurde, daß von dem gantzen Schif nichts mehr übrig war, als etlich 100. Trümmer, auf denen sich allein der Gewinn-süchtige Samson, und noch 5. Schif-Leut durch schwimmen errettet, und an die rauhe Felsen gelangt seynd. Weilen aber nichts allda zu finden war, so dem Samson, und seinen Schif-Leuten zur Nahrung dienen konte, waren sie zwar dem Tod des Ertrinckens entgangen; den Tod aber vor Hunger und Durst zu sterben hatten sie vor Augen. Dann die Stein ihnen zu hart, als daß sie sich beissen liessen; das Meer-Wasser aber gesaltzen. So wußten auch die Schif-Leut, daß dieses getruncken den Durchbruch und Scharbock verursache; mithin den Tod nur desto ehender befördere. Nachdem dann das Meer von seinem Toben und Wüten nachgelassen, und nach seiner Gewohnheit zu Abends abgeloffen, haben sie angefangen unten an den Felsen zu suchen, ob sie dann gar nichts finden könten, das zur Speis diente, haben sie nichts anders angetroffen, als Meer-Muschelen, welche, als sie selbige eröfnet, fanden sie darinn eine gewisse Art der Schnecken, die ihnen dann zur Speis; der darinn aber befindende Saft, den Durst zu stillen, dienen mußten. Weilen aber dieses alles ein ungesundes Weesen war, machte es einen um den anderen kranck, bis nach und nach dis Schif-Leut davon gestorben. Samson dann war nun gantz allein, und blibe ihm von allem seinem Reichthum, und verhoften Gewinn nichts übrig, als daß er seinen Reis-Gefährten [641] durch den Tod bald nachzufolgen hatte. Doch bettete er Tag und Nacht zu GOtt, und rufte ihn eyferig um Hülf an; welcher ihm dann auch seine vätterliche Mildigkeit erzeigte, und täglich einen Fisch an den Felsen ausschwimmen liesse, welchen Samson aussaugte, und auf solche Weis sich über 4. Wochen erhielte. Da dann endlich durch GOttes Schickung bey stillem Wetter etliche Fischer dahin gefahren, den Samson erblicket, zu ihnen in das Schif genommen, und an das Land gesetzt haben. Wo dann Samson mit einem grossen Sack voll Elends, an statt des grossen Gewinns nach Haus gekehrt, allda seinen zu Haus noch übrigen kleinen Kram samt betrübten Weib und Kinderen angetroffen, und nachgehends noch 10. Jahr in mühesamer Sorgfalt zugebracht, und schmal genug hat leben müssen. Doch hatte er diesen Gewinn von seinem Unglück. daß er nunmehr fromm, demüthig, und mitleydig gegen den Armen worden, und forthin mehr nach den ewigen, als zeitlichen Reichthumen getrachtet hat. Conferent. Polit. de Anno 1708.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 640-642.
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