Sechs und zwantzigste Begebenheit.

Unseliger Tod Henrici des 8ten Künigs in Engelland.

[670] Es hatte dieser Herr Anfangs seiner Regierung keinem klugen und gottseligen Fürsten was nach gegeben. Er hat sich dem ausbrechenden Schwarm des Lutherthums starck widersetzt; wider den Luther selbst ein Buch in Druck lassen ausgehen, und deswegen von Ihro Päbstlichen Heiligkeit Leone dem 10ten den Titul eines Beschützers des Glaubens erhalten. Er ware ein sonderbarer Liebhaber und Beförderer gelehrter Leuten; eiferig und beständig auch nach seinem Abfall in Verehrung des Altars, welches er in seiner letzten Kranckheit mit gebogenen Knien angebettet, wiewohl er von einem Calvinischen Bischof davon abgemahnet wurde. Hätte auch sonst viel Löbliches an sich gehabt, wann er nicht solche Gaben der Natur und des Glücks je länger je mehr durch ein lasterhaftes Leben verduncklet, und zuletzt gar ausgelöscht hätte. Diese machten, daß er mit der Zeit einen Verdruß ab seiner frommen Königin und Frauen Catharina, Caroli des 5ten Römischen Kaysers Frauen Mutter Schwester, überkommen ein scheinbaren Vorwand, die Ehescheidung von dem Päbstl. Stuhl zu erpressen, herfürgesucht; aber des gerichtlichen Ausspruches nicht erwartet; sondern in eigener Sach vorgegriffen, und an ihrer Statt Annam [670] Annam Bolenam zur Ehe genommen, ohnerachtet er zuvor mit ihrer Schwester und Mutter in Unzucht gelebt hatte, über welche Blutschand er noch darzu das Gespött getrieben: Dero er aber nach etlichen Jahren, weilen sie im Ehebruch erdappt worden, das Haupt abschlagen lassen. Nach dieser hat er ihm noch viel andere beygelegt, wormit doch sein ausgelassene Geilheit nicht vergnügt, sich in allerhand andere Schandthaten ausgegossen: Ist letztlich gar vom Catholischen Glauben abgefallen; hat der Ketzerey Thür und Thor eröfnet, und sich selbst für das Haupt (O gottloser, und vorhin niemahls erhörter Frevel!) der Engelländischen Kirchen aufgeworfen. Hierzu schlugen noch 2. andere Haupt-Laster, der Geitz, und die Tyranney: Jenes tribe ihn an, die geistliche Kirchen-Güter an sich zu ziehen, Clöster, und andere gottselige Stiftungen zu berauben: Diese gabe ihm das Schwerdt in die Hand wider allerhand Stands-Personen, Geistliche und Weltliche: Weilen sie seine ärgerliche Handlungen nicht billichen wolten, zu verfahren: Wie er dann über die 1000. jämmerlich hinrichten lassen; worunter Cardinäl, Hertzogen, Ertz-Bischöf, Bischöf, Grafen, Freyherren, Ritter, Dom-Herren, Aebbt, Vorsteher der Clösteren, Ordens-Männer, Priester, und Layen beyderley Geschlechts gezählt werden. Zu geschweigen erst allerhand neue Geld-Schätzungen, Pressuren, Steur-Anlagen, womit er seine Unterthanen beschwert, und ausgesogen hat. Also hielte Henricus Haus, und wurde mit ihm von Tag zu Tag ärger, bis ihn ein schwere Kranckheit ins Beth geworfen, daran er auch gestorben ist. Es begunte zwar das Gewissen sich alsdann zu rühren, und er Gedancken zu fassen, sich wieder mit der Catholischen Kirchen zu versöhnen; ist aber aus der Sach selbst nichts worden; und ermangelte nicht an Schmeichleren, welche ihm solches wiederum ausredeten. Er hat zwar den Franciscanern ihre bis dahin verschlossene Kirchen wiederum zugestellt auch darinnen auf Catholische Weis Meß zu lesen befohlen: Aber mit diesem wenigen ware darum der so viel andern geistlichen Güteren zugefügte Schaden nicht erstattet. Er hat auch in seinem Krancken-Zimmer dieses heilige unblutige Opfer verrichten lassen, und unter einer Gestalt das Hochheilige Sacrament des Altars, als die letzte Weegzehrung, ehrentbietig empfangen: Daß er aber hertzlich seine Sünden bereuet, gebeichtet, von einem Gewalt-habenden Priester davon entbunden, und des geistlichen Bannes entlassen worden, liset man nicht: wohl aber, daß er in seinen grösten Leibs-Schmertzen keinen anderen Trost gehabt, als einen Trunck Wein, den er begehrt, und auch erlangt hat. Bald darauf wendete er sich gegen den Umstehenden, und sprache mit einem lauten Seufzer: Nun haben wir alles verlohren. Ja fürwahr, alles hat Henricus verlohren: Ehr, Reich, guten Namen, Leib, Leben, und besorglich [671] auch die Seel: Welches noch ein anderen Umstand glaubwürdig macht; dann kurtz, ehe er in die Züg griffe, hörte man ihn zum öfteren diese Wort wiederholen: Mönch! Mönch! Mönch! gleichsam sehe er vor sich diejenige Geistliche, die er in grosser Anzahl Tyrannischer Weis verfolgt, vertrieben, um Gut und Blut gebracht, nunmehr aber um Rach wider ihn schryen. In solchen Schmertzen, Gewissens-Aengsten, und Verwirrungen gabe er den Geist auf.

Also hat sich verändert Heinrich der 8te König in Engelland, der aus einem frommen zu einem last erhaften Fürsten; aus einem milden Regenten zu einem Wütterich; aus einem eifrigen Catholischen zu einem giftigen Ketzer; aus einem Beschützer der Kirchen zu einem Verfolger der Kirchen worden. Also hat er gelebt; also ist er gestorben.


Also erkaltet man im Geist; also nimmt man nach und nach in Tugenden ab, und in Sünden zu; also fahrt man in die Höll hinunter. Rauscher S.J.P. 3. Dominicalis pro Dom. Sept. ex Florim. Ræmundo P. 2. c. 1. & 5.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 670-672.
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