Neunzehendes Exempel.

Ein junger Graf wird durch öfteres Gespräch mit Ordens-Geistlichen zum Closter-Leben gezogen.

[27] Vor Zeiten war in Teutschland ein junger Graf, mit Namen Albert, von 13. Jahren. Diesen schickte seine Frau Mutter nach Paris in Franckreich, um alldort an dem Königlichen Hof mit den Königlichen Printzen (die ihm verwandt waren) auferzogen zu werden. Weilen aber daselbst ein Dominicaner Closter war, in welchem sich zu selbiger Zeit der seelige Jordanus, und andere Ordens-Geistliche, aus Teutschland gebürtig, aufhielten, suchte der junge Graf selbige, als Lands-Leut, ofters heim, und hatte mit ihnen seine Ansprach. Indem nun diese Geistliche öfters von himmlischen Sachen redeten, wurde der junge Graf davon also bewegt, und eingenommen, daß ihm das Hof-Leben gäntzlich verleidete. Ja nicht allein dieses, sondern er bekame so gar einen Lust, auch in den Orden dieser Geistlichen zu tretten: damit er desto ungehinderter dem Heyl seiner Seelen abwarten möchte: wie er dann bey dem seeligen Jordano, als damaligen Ordens-Meister inständig (doch aber in der Stille; damit es nemlich [27] die Gräfliche Eltern nicht innen wurden) angehalten. Allein weil der seelige Jordanus besorget, der junge Graf möchte wegen seinen jungen Jahren nur fliegende Gedancken bekommen haben, und also auf seinem Vorhaben nicht beständig bleiben, so gab er ihm Bescheid in folgenden Worten: HErr Graf! weilen sein HErr Vatter schon alt, und auf der Gruben herum geht, so wäre es rathsamer, er thäte mit der Zeit die Grafschaft, als der eintzige und rechtmäßige Erb antretten, und liesse ihm angelegen seyn, seine Unterthanen mit Liebe und Sanftmuth zu regieren; dann durch dieses würde er viel Gutes schaffen können. Mit dieser Antwort mußte sich der junge Graf für diesesmal vergnügen lassen; wiewohl er keinen Lust hatte in der Welt zu bleiben. Unterdessen geschahe es nach verflossenen 3. Jahren, daß ihn die Elteren von Paris wiederum nach Haus beruften: zu welchem End sie ein Anzahl Diener abschickten, die ihne zuruck bringen solten. Wie nun die Diener bey ihm zu Paris angelangt, und den Befehl der Gräflichen Elteren abgelegt, sagte er zu ihnen: es ist gantz recht. Allein ehe ich abreise, müsset ihr vorher mit mir in das Dominicaner-Closter, damit ich die teutsche Ordens-Geistliche, als meine liebe Lands Leut, zuletzt noch einmahl sehe, und von ihnen Urlaub nehme. Nun das geschahe: und glaubten die Diener, es hätte nunmehr alles seine Richtigkeit. Allein nachdem der junge Graf denen Dieneren befohlen, einen Abtritt zu nehmen, unter dem Vorwand, als hätte er mit denen Geistlichen abseits, und in geheim etwas wichtiges abzuhandlen, bate er den seeligen Jordanum, er möchte doch alle Geistliche des Closters in das Convent lassen zusammen kommen; dann er etwas, woran viel gelegen, vorzubringen hätte. Als es geschehen, fiele der junge Graf auf seine Knye nieder, und sagte: ich nimme GOtt, und alle Heilige zu Zeugen, daß ich von diesem Ort nicht werde gehen, es seye dann, daß ihr mich in euren Orden aufnehmet. Dann um Christi willen verlasse ich alles, was ich in der Welt hab: und diesem allein will ich in euerem Orden bis an das End meines Lebens dienen. Sehet demnach wohl zu, daß ihr mir meine Bitt nicht abschlaget, sonst werdet ihr es vor GOtt zu verantworten haben, und er wird mein Blut von eueren Händen forderen. Wie der seelige Jordanus samt dem gantzen Convent diesen ungemeinen Eyfer des jungen Grafen gesehen, wußten sie vor Erstaunung nicht, was sie sagen sollten. Nachdem sie sich aber erholet, hielten sie untereinander Rath, was zu thun wäre; in Bedencken, daß es die Gräflichen Eltern sehr übel dörften aufnehmen, wann ihr Sohn in den geistlichen Orden sollte tretten. Allein, wie sie befunden, daß GOtt den jungen Grafen kurtzum in dem heiligen Orden haben wollte, nahmen sie ihn einhellig auf, und legten ihm [28] das Ordens-Kleyd an. Wie die Diener das vernommen, und gesehen, daß sie unverrichter Sachen wiederum hinkehren mußten, wo sie herkommen waren, haben sie traurend ihren Abschied genommen. So bald die Gräfliche Elteren verstanden, was sich mit ihrem Sohn zugetragen, da ist nicht auszusprechen, wie sie lamentirt, und alles angewendet, den Sohn wiederum aus dem Closter zu ziehen. Unter anderen wurde dieses Geschäft aufgetragen einem gewissen Herrn, mit Namen Theodoric, so ein leiblicher Bruder von des jungen Grafen Frau Mutter war, und eben dazumahl zu Paris sich aufhielte. Dieser dann gienge in das Dominicaner-Closter hin, und verlangte, man solte den jungen Grafen, seinen Vetter herfür kommen lassen. Wie dieses geschehen, redete er ihn auf folgende Weis an: Was ist das, Vetterle? wie kanst du es über dein Hertz bringen, daß du deine Elteren dergestalten betrübest? du weist ja, daß dein Herr Vatter alt ist, und auf der Gruben herum gehet; und also zu sorgen, die Frau Mutter dörfte bald eine Wittib werden. Ach! in was betrüben Stand wird sie gesetzt, wann sie nach dem Tod ihres Herrn zugleich deiner wird entrathen müssen; da sie doch ihren eintzigen Trost auf dich gesetzt, der gäntzlichen Hofnung, du werdest sie nicht verlassen, sondern ein Stab ihres Alters seyn! O was für einen Bach der Zähern wird sie vergiessen, wann sie sich in ihrer Hofnung wird betrogen sehen, ey! si gehe dann in dich selbsten; gedencke was du thust: kehre zuruck in die Welt, und betrübe deme Elteren nicht bis in Tod hinein. Aber der junge Graf fertigte seinen Herrn Vettern mit dieser Antwort ab: Herr! wisset ihr nicht, daß unser lieber HErr, da er am Creutz hienge, seine liebste Mutter in höchster Betrübnuß vor sich gesehen? und dannoch hat er dessentwegen vom Creutz keinesweegs wollen herunter steigen. Also werde auch ich das Ordens-Creutz, an welches ich mich durch die heilige Gelübde heften werde, nicht verlassen, wann ich auch meine Frau Mutter solte vor mir dahin sterben sehen. Unterdessen werde ich GOtt bitten, daß er sie tröste; mir aber die Gnad gebe, daß ich ihm beständig in dem angenommenen heiligen Orden diene. Dahero bliebe der junge Graf beständig, und brachte sein Leben in dem Orden bis an das End gottseelig zu. Cantiprat. l. 2. Apum. c. 28.


O wie wiel ligt daran, mit was für Leuten man umgehe! und was man für Gespräch führe! wäre dieser junge Graf stets zu Hof geblieben, was hätte er anders gehört, als was weltlich, schnöd und zergänglich ist? und also wurde er ein lauteres Welt-Kind worden seyn; in welchem Stand er vielleicht ewig wäre zu Grund gangen. Da er aber zu Zeiten mit frommen Geistlichen umgangen, und himmlische Gespräch angehört, O wie hat [29] er die Eitelkeit der Welt so bald erkennt! darum lasse dir folgende Reimen gesagt seyn:


Wilt du weit seyn von der Hölle,

Zu den Frommen dich geselle.

Fromme thun dich Gutes lehren;

Böse wurden dich verkehren.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 27-30.
Lizenz:
Kategorien: