Viertes Exempel.

Ein unschuldiges Töchterlein gibt nach der Heil. Communion vor Liebe gegen Christo den Geist auf.

[5] Zu Bononien, einer Stadt in Welschland, ist ein Frauen-Closter, Dominicaner-Ordens. Bey selbigen Closter-Frauen gienge in die Kost ein Töchterlein, welches man die Unschuld selbsten hätte mögen nennen. Neben anderen Andachten, denen es ergeben war, truge es eine sonderbahre Ehrerbietung zu dem heiligen Sacrament des Altars. Dannenhero wann es zu Zeiten gesehen, wie die Closter-Frauen communicierten, hat es eben gemeinet, es seye ihm unmöglich, daß es nicht auch mit ihnen communiciren solle: so groß war bey ihm die Begierd, mit Christo in diesem heiligen Sacrament vereiniget zu werden. Allein, weil es die Jahr zum communicieren noch nicht hatte, wolten es die Closter-Frauen nicht lassen hinzu gehen. Das schmertzte dann das gute Kind dermassen, daß ihm darüber das Hertz hätte zerspringen mögen. Was geschiehet? Als auf ein Zeit die Closter-Frauen abermahl communicierten, und aber das Kind nur zusehen mußte, da entstunde in ihm eine solche Begierd, auch zu communicieren, [5] daß die heilige Hostie, so der Priester in der Hand hielte, und eben jetzt austheilen woll te, ihm von freyen Stucken aus der Hand entwiche; mit grossem Glantz umgeben, durch den Luft zu dem Töchterlein hinfloge, und ober seinem Haupt schwebete. Ueber welches Wunder als der Priester erschrocken, und Anfangs nicht gewußt, was dieses bedeuten wolle, da fallt ihm ein, Christus wolle ein für allemahl durch die Heil. Communion bey diesem Töchterlein einkehren; eben darum, weilen es eine so grosse Begierd zu communicieren habe: geht also hin, nimmt die im Luft schwebende heilige Hostie mit tiefester Ehrerbietung wiederum in die Hand, und communicierte darmit das Töchterlein. Wie nun das Kind diese unerhörte Gnad, so ihme Christus erwiesen, etwas tieffers zu Gemüth geführt, das ist sein Hertz mit solcher Liebe gegen Christo entzündet worden, daß es selbige nicht länger ertragen können, sondern ist in eine süsse Ohnmacht dahin gesuncken, und hat vor Freuden den Geist aufgeben. Segneri in homine Christiano P. 3. Discursu 8. n. 17.


O glückseeliges Kind! wie wird an jetzo dein Begierd, so du hattest, mit Christo in der H. Communion vereiniget zu werden, so glückseelig erfüllet! dann welchen du auf Erden in dem H. Sacrament des Altars unter der weissen Gestalt nur verdeckter gesehen, den schauest du nunmehr in dem Himmel von Angesicht zu Angesicht an, und wirst ihn also mit unaussprechlicher Freud in alle Ewigkeit anschauen. O Glückseeligkeit!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 5-6.
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