Die zehente Egyptische Plag.

Kinder-Tod.

[703] Algemach, allgemach schickte sich der Pharao zum Gehorsam. Solchen aber endlich zu erpressen war noch ein Streich vonnöthen, der ihme das Lebendige getroffen. In einer Nacht liesse der Herr alle Erstgeburt erwürgen durch das gantze Egyptische Land, Menschen und Vieh, von dem erstgebohrnen Sohn an des Königs selbst, der auf dem Thron sasse, bis auf den erstgebohrnen der schlechtisten Dienst-Magd, die in der Mühle das Rad zoge, wie die Schrift redt. Kein Haus war zu finden, worinn nicht ein Todter lage. Wie nun dieses Jammers die Egyptier gewahr wurden, erhebte sich ein erbärmliches Weynen und Heulen aller Orthen. Der König liesse den Moysen und Aaron noch bey der Nacht ruffen, denen er den Tag zuvor den Hof bey Lebens-Straf verbotten hatte. Und nicht allein erlaubte er, sondern befahle ihnen, und allen Israelitern samt Weib und Kindern, und aller ihrer Fahrnus frey fort zu ziehen, wo sie hin wolten. Dann es stoßte ihn, und die Seinige eine Forcht an, sie möchten alle zu Grund gehen.


Jetzt mein lieber Leser, was machest du dir über die erzählte Plagen für Gedancken? kommen sie dir nicht erschröcklich für? allein, was meinest du, daß sie seyen gegen den höllischen Plagen? Ach! ein Schatten; ja so viel, als nichts seynd sie. Das geringste, das sie leyden, ist mit keinen Worten zu beschreiben. Willst du wissen, warum? darum nemlich, dieweil es ewig währet. Ewig eingesperrt seyn, ewig brennen, ewig Durst leyden, ewig verzweiflen. Ach! was für ein Qual ist dieses, O daß wir dieses öfters bedenckten, wie wurden wir uns förchten, zu fallen in die Händ des lebendigen GOttes; O GOtt, wie bist du zu förchten, theils wegen deiner Allmacht, theils wegen deiner unendlichen Gerechtigkeit, die nichts Böses ungestraft laßt hingehen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 703-704.
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