Drittes Gespräch.

[417] Schutz-Engel. Wie kommt dir die erzählte Begebenheit vor?

Pfleg-Kind. Ich erstaune über die Gütigkeit Mariä, daß sie ihr einen so geringen Dienst (als da ware ein schläfferiges Gebett) nicht hat lassen umsonst thun.


Schutz-Engel. Es ist wahr, der Dienst war gering, allein er ware beständig. Dann gleichwie Castor sich niemahlen vorhin schlaffen gelegt, er hätte dann zuvor U.L. Frau zu Ehren den Rosenkrantz gebettet; also hat er es auch jetzt gethan, wiewohl er gantz schläfferig war. Weilen er sich dann überwunden, und ihm selbst Gewalt angethan, hat die Mutter GOttes solche Uberwindung nicht wollen unbelohnt lassen. So viel ist daran gelegen, daß man die einmahl angefangene Andacht gegen die Mutter GOttes beständig fortsetze, und niemahlen unterlasse, ungeachtet aller Hindernus, die sich möchte in den Weeg legen. Dann obschon das Gebett etwan aus menschlicher Schwachheit (wie es vielmahl geschiehet) nicht gar andächtig und aufmercksam ist, so ersetzt doch diesen Mangel die Beständigkeit.


Pfleg-Kind. Das ist wohl trostreich für uns schwache Menschen. Aber hier fallt mir ein, gehört zu haben, daß etwelche der Mutter GOttes [417] zu Ehren alle Sambstag das Jahr hindurch zu fasten pflegen.

Schutz-Engel. Deme ist also.

Pfleg-Kind. Warum aber an denen Sambstägen? was solle dieses bedeuten?

Schutz-Engel. Es geschiehet darum, dieweil der Sambstag sonderbahr gewidmet ist, die Mutter GOttes zu verehren.

Pfleg-Kind. Und woher kommt das?

Schutz-Engel. Höre: In einer Kirch zu Constantinopel war vor uralten Zeiten ein Bildnus U.L. Frau, vor welcher ein Vorhang fürgezogen, der die gantze Bildnus bedeckte; alle Freytag aber um die Vesper-Zeit ist dieser Vorhang von einer unsichtbaren Hand hinweg gezogen worden; also daß jedermänniglich die Bildnus hat sehen können bis auf die Vesper-Zeit am Sambstag, um welche Zeit der Vorhang wiederum auf vorige Weis fürgezogen worden, und die Bildnus bedecket hat, welches Miracul Ursach gegeben, daß die Catholische Kirch die Tag-Zeiten von U.L. Frau am Sambstag zu singen, und zu betten verordnet hat.

Pfleg-Kind. Lasse dir belieben eine Begebenheit zu erzählen, wie angenehm es U.L. Frau seye, wann man ihr zu Ehren am Sambstag fastet.

Schutz-Engel. Höre nachfolgende: Nicht weit von Trient, einer Stadt, so an den Gräntzen des Welschlands gelegen, in einem Wald, ware ein so verruchter Mörder und Strassen-Rauber, daß er keines eintzigen Durchreisenden verschonet. Nun schickte es GOtt, daß als einstens ein Ordens-Geistlicher durch diesen Wald seinen Weeg genommen, der Mörder selbigen angepackt, und mit sich tieffer in den Wald hineingeführt, hoffend, bey ihme Geld zu erhaschen. Der Geistliche fragte ihn in dem Hineinführen, wer er seye, und was er also allein im Wald mache? der Mörder antwortet hierauf: Du solst wissen, daß ich ein solcher Mörder bin, von dergleichen ihr vielleicht niemahls werdet gehört haben. Worauf ihne der Geistliche weiters gefragt: Ist es wohl möglich, daß du dem Ansehen nach schon ein alter Mann, die grosse Gefahr deiner Seel nicht förchtest? Mit nichten (antwortete er) förchte ich diese Gefahr, eben so wenig, als ein unvernünftiges Thier. Auf diese Antwort verlangte der Geistliche, er sollte ihm sein Leben erzählen. Der Mörder, welchen GOtt durch diesen Geistlichen auf den Weeg des Heyls wollte führen, fienge an also zu reden. Ihr sollt wissen, daß, als ich noch ein Bub gewesen, ich keinem meines Alters in der Boßheit gewichen; und da ich erwachsen, bald da, bald dort etwas gezwackt, so ich zum Spielen und Schlecken angewendet hab; wie ich aber zu meinem männlichen Alter kommen, hab ich mich zu denen Mörderen und Strassen-Raubern gesellet, unter welchen ich so keck worden, daß ich für den Aergsten in dieser Landschaft gehalten werde. [418] Der Geistliche fragte ihn weiters, ob er dann nicht auf solches Leben bevorstehende höllische Peyn förchte? der Mörder versetzte: keinesweegs. Dann, was mein Seel betrift, weiß ich schon, daß selbige verlohren ist. Ueber solche verzweiffelte Antwort sagte der Geistliche: Wann ich dir aber den Weeg zur Seeligkeit zeigen wurde, wolltest du mir Gehör geben, und demjenigen nachkommen, was ich dir sagen würde. Von Hertzen gern (antwortete der Mörder) sagt es nur frey heraus. Nun dann (sagte der Geistliche) so verlange ich mehr nicht von dir, als daß du zu Ehren U.L. Frau alle Sambstag fasten, und selbigen Tag niemand ein Leyd zufügen wollest, auf solchen Fall versichere ich dich, daß dir die Mutter GOttes bey ihrem Sohn die Gnad der Bekehrung erlangen werde. Der Mörder sagte ihm alles zu, und verspricht, auch seine Mitgesellen dahin anzuhalten, daß sie am Sambstag niemand was Leyds zufügen sollen. Nun begabe es sich, daß, als einstens an einem Sambstag gantz allein ohne Gewehr im Wald herum gienge, er von ausgeschickten Gerichts-Dienern der Stadt Trient überfallen, gebunden, und in die Stadt geführt wurde; da man ihm dann einen kurtzen Proceß gemacht, und zum Tod verurtheilt hatte. Worauf er nach der Richtstadt hinaus geführt, und ihm das Haupt abgeschlagen worden; da er vorhero seine begangene Missethat offentlich, und mit solcher Reu und Leyd bekennt, daß jederman sich darüber verwundert, und nicht fassen können, woher ihm ein solche Gnad der Bekehrung, und Unerschrockenheit den Tod zu leyden, kommen seye; welches aber alles geschehen ist auf die Vorbitt U L. Frauen, zu dero Ehren er alle Sambstag gefastet, auch sich von Todschlag und anderen Lasteren gäntzlich enthalten hatte. Welche Andacht, wie sehr sie der Himmels-Königin gefallen habe, aus diesem erschienen, daß der Leichnam, den man auf der Richtstadt begraben, bey nächtlicher Weil mit vielen Liechtern umgeben, von 4. wunderschönen Jungfrauen wiederum erhebt, in eine mit purpurfarbenen Tuch bedeckte Todten-Bahr gelegt, und von dannen nach der Stadt getragen worden. Dero die 5te, so die schönste war, mit einer brinnenden Kertzen nachgefolget. Da sie nun zum Stadt-Thor kommen, setzten sie die Todten-Bahr mit dem köstlichen Bahr-Tuch nieder, und die Schönste, so die Mutter GOttes war, rufte denen Thor-Wächteren, so wegen dieses Gesichts voller Schrecken waren, also zu: Gehet hin zu eurem Bischof, und deutet ihm an, daß er diesen enthaupteten Leichnam in der Dom-Kirchen mit allen Ehren begraben lasse. Widrigen Falls solle er zusehen, was ihm gesche hen werde. Dann ich (die Himmels-Königin) will es also haben. So bald es Tag worden, wurde dieser Befehl dem Bischof angezeigt, welcher als er mit der gantzen Priesterschaft zum [419] Stadt-Thor kommen, die Todten-Bahr eröfnet, und des Mörders abgeschlagenes Haupt mit dem Leib wunderthätiger Weiß vereiniget gefunden, hat nicht allein er, sondern auch alles Volck, so zugegen war, sich höchstens darüber verwundert, worauf er den Leichnam mit allen Ehren begraben lassen. Als dieses Miracul allenthalben kundbar worden, daß der Mörder wegen gehabter Andacht des Sambstäglichen Fastens so grosse Gnad von der Himmels-Königin erlangt, fienge jedermänniglich in selbiger Landschaft an, zur Ehr der GOttes-Gebährerin am Sambstag zu fasten, und sich sorgfältiger, als andere Täg von denen Lastern zu enthalten; wie auch früher Feyerabend zu machen. Cæsarius in Dialogis.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 417-420.
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