Dreyzehende Begebenheit.

[454] Es war ein frommer Mensch, welcher die Mutter GOttes täglich mit dem Heil. Rosenkrantz verehrt hatte; und das mit solcher Andacht, daß sie ihm auf eine Zeit erschienen, und ihn mit diesen Worten angeredet hat: mein treuer Diener! du erweisest mir zwar täglich einen angenehmen Dienst durch das Gebett des Heil. Rosenkrantzes. Doch würde mir dieser Dienst noch angenehmer seyn, wann du nach Vollendung dieses Gebetts zur Ehr meiner liebsten Mutter Annä noch ein Vatter unser und Englischen Gruß hinzu thun würdest. Wisse zugleich, daß diejenige: von welchen sie meinetwegen sonderbar verehrt wird, in ihren Nöthen; besonders aber im Tod-Beth Hülf und Trost zu hoffen haben. Dieses liesse ihm der fromme Mensch gesagt seyn, und thate, zu was er ermahnt worden. Wie nun der Beschluß seines Lebens herzu nahete, und er des Todes stündlich erwartete, erzeigte er gähling ein freudiges Angesicht, und sagte zu den Umstehenden: sehet, sehet, es kommt an die Heil. Mutter Anna samt ihrer gebenedeyten Tochter, der Heil. Jungfrau Maria. Und da Beyde hinzunaheten, sagte die gebenedeyte Jungfrau: siehe! hier seynd wir Beyde, dir die Höll zu verriglen damit du nicht hinein kommest: dieweil du nemlich diese meine Mutter sonderbar verehrt hast. Jetzt folge uns nach dem Himmel zu. Dieses geredt, seynd beyde verschwunden; der Sterbende aber ist ihnen mit Freuden nachgefolget. Auriema supra cit.

Wilst du lieber Leser die Heil. Mutter Annam sonderbar verehren, so magst du folgendes Gebettlein, wo nicht täglich wenigst jeden Dienstag, als welcher sie zu verehren sonderbar gewidmet ist, sprechen: [454] »O Heilige Mutter Anna! ich erfreue mich mit dir, daß du Mariam gebohren hast, aus welcher aufgangen ist die Sonne der Gerechtigkeit, Christus JEsus, unser HErr und GOtt. O wie seelig, und aber seelig bist du wegen dieser deiner Tochter! dieweilen ihres gleichen die Welt vorhin niemahl gesehen, noch ins künftig hin mehr sehen wird. Dieser dann, wollest du mich, O heilige Mutter befehlen, auf daß sie für mich bitte bey Christo JEsu, ihrem geliebten Sohn, der mit dem Vatter und Heil. Geist lebt und regiert in Ewigkeit, Amen.«

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 454-455.
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