Fünfzehende Fabel.

Die Ambsel hatte gar wohl gethan, daß sie es nicht mit denen Spatzen gehalten.

[758] Als einstens ein Schaar Spatzen bey einer Stauden fürbey geflogen, und alldorten eine Ambsel angetroffen, welche Würmlein auf der Erden suchte, da sprache ein Spatz zu ihr: du arme Närrin, wie verzehrest, und bringest du allda deine Zeit in der Einsame so langweilig zu! und nährest dich mit Käferen und Würmlein, da du es noch weit besser haben köntest, wann du nur, wie ich, mit anderen halten woltest! dann wir fliegen von einem Trayd-Acker auf den anderen, und essen uns dort mit dem besten Waitzen voll an. Ist er abgeschnitten, so becken wir die Aeheren in denen Hälmen aus. So gar, wann er im Kasten, finden wir ein Loch, dardurch wir hinein schlieffen, und darbey uns mästen. Leben also in einem ewigen Freß-Montag, da du unterdessen eine stäte Quatember-Fasten halten mußt. Die Ambsel sagte: mein Spatz! wie wirst du [758] es aber verantworten, daß du selbst nicht arbeitest, und nur der Geilheit obliegest; darneben von dem, was die arme Leut mit ihrem sauerem Schweiß heraus bringen, auf ein so raub- und diebische Weiß dich nährest? darauf der Spatz antwortet: ich thue es aber nicht allein; sondern alle. Dann bey uns Spatzen ist es also durchgehends der Brauch. Mein! halts auch mit uns. Die Ambsel wolte aber nicht, sondern sagte: ich bin mit meiner Einsamkeit, und schlechter Nahrung zu frieden, und dabey, weil ich niemand schade, desto sicherer. Darauf die Spatzen alle sie ihrer Einfalt halber auslachten, und fort flogen, in der gewohnten Trayd-Scheur sich zu mästen. Darinn aber der Bauer schon allenthalben Netz aufgerichtet, und aufgelauret. Und wie sie alle darinn waren, liesse er die Netz bey allen Löcheren fürfallen, und erschluge die Spatzen alle, daß nicht mehr, als einer, und eben der, so mit der Ambsel geredet, darvon kame, aber auch mit einem guten Streich, dardurch ihm der andere Fuß abgeschlagen worden. Also verletzter hupfte er fort, thate die höchste traurige Zeitung mit grossen Heulen und Klagen der erfolgten Niederlag der Ambsel erzählen, und seine Missethat verfluchen. Jordanus Capuc. Domin. quinquagesimæ.


Liebe Jugend! lasse dir diese Fabel zu einer Warnung dienen. Wann dich andere zu gefährlicher Zusammenkunft einladen, und dich bereden wollen, du soltest auch mithalten. Jetzt seye es zum Exempel. Faßnacht-Zeit: O! so gibe ihnen kein Gehör, sondern führe dir zu Gemüth, was der weise Salomon sagt Prov. 1. Mein Kind! wann dich die Sünder locken, so seye ihnen nicht zu Willen: wann sie sagen, komme mit uns: wandle nicht mit ihnen: halte deinen Fuß zuruck: dann ihre Füß lauffen zum Bösen, und machen betrügliche Anschläg wider ihre Seeligkeit. Wann sie endlich sagen, Andere halten auch mit, so gibe ihnen zur Antwort: da mögen sie zusehen, was sie thun. Wo es eine Gefahr ist, GOtt den HErrn schwerlich zu beleydigen, da kan, und will ich nicht mithalten. Dann was wäre dis anderst, als mit anderen die Seeligkeit verschertzen wollen: ist das nicht die gröste Unsinnigkeit? oder besser zu sagen, die gröste Gottloßigkeit?

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 758-759.
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