Sechzehende Fabel.

Ein Hahn bezahlt des Fuchsen List mit gleicher Müntz.

[759] Es hatte sich auf eine Zeit zugetragen, daß die Hennen unter Anführung ihres Hahnen einen hohen Baum bestiegen. Da kame hervor geloffen ein hungeriger Fuchs; dieser grüßte den Hahnen gar freundlich, [759] und sagte: Was machest du auf dem Baum droben? weißt du nichts um die gute Zeitung, so alle Thier angehet: Nein, antwortet der Hahn. Ich möchte selbige wohl aus deinem eigenen Mund vernehmen, wann es dir nicht zuwider ist: Da sagt der Fuchs, ich will dich der grossen Freud theilhaftig machen: Wisse demnach, daß alle Thier eine Zusammenkunft gehalten, in welcher ein ewiger Fried und Einigkeit unter ihnen beschlossen worden; also daß inskünftig keines von dem anderen sich einer Nachstellung, oder Schadens mehr solle zu förchten haben. So lasse dir dann gefallen mit deinen Töchteren herunter zu steigen, damit wir uns dieser Freud unter einander theilhaftig machen. Der Hahn, so den Betrug vermerckt, wolte List mit List bezahlen, und sagte: Das ist mir wohl ein freudige Zeitung. Kaum hatte er dieses ausgeredt, da richtet er sich auf, streckt den Hals in die Höhe, und stellt sich, als sehe er mit Verwunderung etwas in der Weite. Als der Fuchs die Ursach dessen zu wissen verlangte, antwortet der Hahn: Ich siehe zwey grosse Hund mit aufgesperrtem Rachen daher lauffen. Der Fuchs dies hörend sagt: So nimme ich den Abschied von dir, dann es ist Zeit, daß ich mich aus dem Staub mache; wie er dann auch alsobald die Flucht ergriffen. Da fragte der Hahn, warum er also fliehe, wann unter denen Thieren ein ewiger Fried geschlossen worden? der Fuchs schaute zuruck, und sagte, es ist nicht ohne; allein ich weiß nicht, ob diese zwey grosse Hund sich auch in der allgemeinen Versammlung eingefunden, oder nicht. Auf solche Weis hatte der Hahn List mit List bezahlt. Poggius in facetiis.


Also giebt es noch heut zu Tag Leut, welche freundlich grüssen, und wohl hundert mahl sagen: Vôtre Serviteur! schuldiger Diener; aber nur mit dem Mund, gehet nicht von Hertzen; indem sie nichts anders suchen, als andere zu betrügen, und ihnen zu schaden, gemäß deme, was man zu sagen pflegt: Wann man einem ungemein schön thut, ist es ein Zeichen, man habe ihn schon betrogen, oder wolle ihn noch betrügen. Von solchen Leuten muß man sich hüten, und List mit List bezahlen, damit sie daheim bleiben, wann sie gewahr nehmen, daß man ihren List und Falschheit mercke.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 759-760.
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